Berlin. .

Die SPD-Spitze ist empört, ganz besonders ist es Europa-Spitzenkandidat Martin Schulz: „Herr Berlusconi spaltet Europa in einer gefährlichen Art und Weise“, schimpfte Schulz gestern in Berlin, „das ist das Gegenteil von dem, worauf Europa gegründet worden ist.“

Zuvor hatte der frühere Regierungschef Italiens mit deutschlandfeindlichen Parolen auf sich aufmerksam gemacht und Schulz persönlich attackiert: Für die Deutschen hätten die Konzentrationslager nie existiert, tönte Berlusconi. Und zu Schulz, den er vor Jahren schon mit einem KZ-Lagerchef verglich, fiel dem Politiker nun ein: „Da gibt es einen Mann, genannt Schulz, der Berlusconi oder Italien nicht leiden kann.“ Ein Skandal, klagt die SPD seit Tagen, sie fordert eine Entschuldigung von Berlusconi.

Die anhaltende Aufregung nährt den Verdacht, die SPD sei klammheimlich dankbar für den Eklat, der die Aufmerksamkeit auf ihren Spitzenkandidaten lenkt. Die kann Schulz gebrauchen: Obwohl sich der Rheinländer schwer ins Zeug legt und auch die Partei mit einer 10-Millionen-Euro-Kampagne großen Aufwand betreibt, dümpelt ihr Europa-Wahlkampf vor sich hin.

In Umfragen kommt die SPD zwar auf rund 27 Prozent – doch es ist eine traumatische Erfahrung der Genossen, dass bei den letzten Europawahlen ihr tatsächliches Ergebnis stets unter den Prognosen lag. 2009 etwa wurden der SPD auch schon 27 Prozent vorhergesagt, am Ende rutschten die Genossen auf den historischen Tiefstand von 20,8 Prozent.

Wenn diesmal die 25,7 Prozent der Bundestagswahl erreicht würden, sei das schon viel, heißt es ernüchtert in der Parteizentrale. Die SPD habe ein Mobilisierungsproblem, analysierten Meinungsforscher der Parteispitze schon vor Monaten. Die Stimmung auf Bundesebene sei ohnehin nicht so schnell zu drehen.

Die Hoffnung, die Europawahl werde zur Trendwende für die SPD, trügt bisher. Die Union richtet ihren Wahlkampf ganz auf die populäre Kanzlerin aus – obwohl die gar nicht zur Wahl steht. So werden in der SPD schon Szenarien für den Tag nach dem befürchteten Wahldebakel durchgespielt. Parteichef Sigmar Gabriel muss persönlich nichts befürchten. Aber unruhiger wird es schon werden, führende Genossen bereiten sich auf eine neue Debatte vor, in der auch die Niederlage bei der Bundestagswahl intern endlich diskutiert werden soll.

Der linke Flügel mahnt, die Erfolge in der Sozialpolitik stärker herauszustellen – und auch die Differenzen zur Union, etwa in der Steuerpolitik. Doch aus der Ministerriege der SPD wird gebremst: Wenn erst sozialdemokratische Segnungen wie Rente mit 63 oder Mindestlohn im Portemonnaie der Bürger ankommen, heißt es dort, werde sich das Blatt schon wenden.