Berlin. . Sorge um die Geiseln, Empörung über Spionagevorwürfe: Bundesregierung nimmt die Militärbeobachter-Mission in Schutz und fordert von Russland Distanzierung von der Geiselnahme

Sorge um die Geiseln, Empörung über Spionagevorwürfe: Die Bundesregierung hat gestern mit Nachdruck Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von Deutschland geführten Militärbeobachter-Mission zurückgewiesen, deren Mitglieder seit Freitag von pro-russischen Rebellen in der Ostukraine als Geiseln festgehalten werden. „Der Spionagevorwurf ist total abwegig“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer. Die Mission sei mit offenem Visier unterwegs, in Begleitung des Gastlands und auf klarer rechtlicher Grundlage.

Die pro-russischen Geiselnehmer um den selbst ernannten Bürgermeister von Slowjansk, Ponomarjow, hatten die Mitglieder des Teams als „Agenten“ der Nato bezeichnet und ihnen Spionage vorgeworfen. In Deutschland mochte prompt die Linkspartei einen solchen Verdacht nicht ausschließen. Das Verteidigungsministerium reagierte gestern empört, das Außenministerium mahnte zur Zurückhaltung.

In Bundeswehrkreisen hieß es, der Zustand der Geiseln sei, so weit aus dem öffentlichen Auftritt erkennbar, schlecht, einen direkten Kontakt gebe es aber nach wie vor nicht. Die vier deutschen unter den noch sieben Geiseln gehören alle zum Zentrum für Verifikationaufgaben der Bundeswehr, das mit rund 140 Mitgliedern im nordrhein-westfälischen Geilenkirchen beheimatet ist. Das Zentrum soll nach Vorgaben des Auswärtigen Amtes vor allem die Umsetzung von Rüstungskontrollverträgen sicherstellen.

Bereits seit März sind Bundeswehrsoldaten auch im Ukraine-Konflikt unterwegs, vier solcher Missionen unter dem Schirm der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gab es dort bisher. Sie unterscheiden sich allerdings von jener diplomatischen OSZE-Beobachtermission, die maßgeblich Außenminister Frank-Walter Steinmeier initiiert hatte und deren etwa 150 Mitglieder seit Ende März in der Ukraine zur Deeskalation beitragen sollen.

Die Militärbeobachter-Teams kontrollieren dagegen - auf Grundlage eines OSZE-Vertrags - den Zustand der Streitkräfte einzelner Mitgliedsländer. Ihr wichtigstes Instrument seien „Augen und Ohren“, erklärt das Verteidigungsministerium. In diesem Fall hatte die Ukraine selbst um die Untersuchung gebeten, offenbar um ihre Friedfertigkeit gegenüber Russland zu unterstreichen. Nur wenige Tage vor der Geiselnahme betonte der deutsche Leiter der Mission, Oberst Axel Schneider, den diplomatischen Status seiner Gruppe. Sein Team schaue ausschließlich auf die regulären ukrainischen Streitkräfte: Die zeigten keinerlei offensives Auftreten und vermieden alles, um ein falsches Signal zu geben. Die angeblich eingesickerten russischen Spezialeinheiten habe die Mission nicht gesehen, aber das zu erkunden, sei auch nicht der Auftrag, versicherte Schneider. Dennoch bleiben bei dem Einsatz nun Fragen: Unklar ist, ob die Gruppe als OECD-Team erkennbar war und ob sie tatsächlich unbewaffnet war - das Verteidigungsministerium will sich mit Blick auf die unklare Informationslage nicht mehr äußern. Und das Auswärtige Amt erklärte, die Fragen nach Schuldzuweisungen oder Verantwortlichkeiten seien zwar legitim - aber debattiert werden sollten sie erst nach Ende der Geiselnahme. Wo die Militärbeobachter in Slowjansk festgehalten werden, ist offenbar geklärt. Eindringlich hat die Bundesregierung aber die ukrainische Führung schon gemahnt, von einem gewaltsamen Eingriff abzusehen.

Stattdessen appellierte die Regierung gestern mit größtem Nachdruck an Russland, sich für die Freilassung der Geiseln einzusetzen. Es sei offensichtlich, dass die russische Führung Einfluss habe auf die Geiselnehmer habe, erklärte das Auswärtige Amt. Die Regierung in Russland müsse „ein klares Zeichen setzen“, dass sie die Geiselnahme nicht akzeptiere, forderte Außenminister Steinmeier in einem Telefonat mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow.