Hunderttausende Pilger werden sich am Sonntag rund um den Petersplatz drängen, um die Heiligsprechung hautnah zu verfolgen; Hunderte Millionen werden vor den Fernsehern dabei sein, wenn TV-Anstalten rund um die Welt die Heiligsprechung stundenlang live aus Rom übertragen.
Sicher, man kann das alles für faulen Zauber halten, was am Sonntag auf dem Petersplatz in Rom abläuft: Zwei alte Männer, die Todkranke per Wunder geheilt haben sollen und deshalb heiliggesprochen werden. Wunder? Heilig?
Tatsächlich sind das Begriffe, mit denen die Mehrheit der Bundesbürger nichts oder nicht mehr viel anfangen kann: 62 Prozent der Deutschen, so eine aktuelle Umfrage, halten Heiligsprechungen rund 300 Jahre nach Beginn der Aufklärung in Europa für nicht mehr zeitgemäß; selbst viele Katholiken dürften das so sehen.
Ist die besondere Ehrung für die beiden ehemaligen Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II. also nicht mehr als aus der Zeit gefallene Folklore, das letzte Aufbäumen einer vergangenen Epoche, heiliger Humbug?
Wie gesagt: Man kann das so sehen.
Man kann es aber auch anders sehen. Hunderttausende Pilger werden sich am Sonntag rund um den Petersplatz drängen, um die Heiligsprechung hautnah zu verfolgen; Hunderte Millionen werden vor den Fernsehern dabei sein, wenn TV-Anstalten rund um die Welt die Heiligsprechung stundenlang live aus Rom übertragen; für ungezählte Katholiken, denen die toten Päpste Vorbild und Bestärkung im Glauben sind, wird die doppelte Heiligsprechung ein Höhepunkt ihres Lebens sein. Und selbst viele nicht Gläubige dürften sich der Faszination einer Jahrhunderte alten Zeremonie nicht entziehen können.
Auch wenn es paradox klingen mag – aber es ist nicht zuletzt das Aus-der-Zeit-gefallen-sein, dieser scheinbare Anachronismus einer 2000 Jahre alten Religion, der den Glauben für den modernen Menschen aktuell macht.
Da ist kein Anbiedern an den Zeitgeist, keine Relativierung ethischer Werte zugunsten eines ungehemmten Konsumdenkens. Wo das zunehmend schwindelerregende „Immer mehr, immer neu“ unserer Zeit vielen Menschen keine innere Orientierung mehr bietet, hält die Kirche trotzig dagegen. Dafür stehen in besonderer Weise die zwei Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II. – und dafür steht auch die Tradition der Heiligsprechung.