Istanbul. Der Sieg bei den Kommunalwahlen hat Regierungschef Erdogan auch bei einer Kandidatur um das Präsidentenamt gestärkt. Amtsinhaber Gül muss sich erklären. Unterdessen hat das Parlament dem Geheimdienst mehr Befugnisse gegeben.

Vier Monate vor der Präsidentenwahl in der Türkei hat Amtsinhaber Abdullah Gül einen Wechsel in das Amt des Ministerpräsidenten abgelehnt. Vor Journalisten deutete er am Freitag ein mögliches Ende seiner politischen Karriere an. "Ich will mitteilen, dass ich unter den aktuellen Rahmenbedingungen keinen politischen Plan habe", sagte Gül. Ein Ämtertausch mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nach russischen Vorbild passe nicht zur Türkei.

Ein Verzicht Güls auf eine erneute Bewerbung um das Präsidentenamt würde der Weg für eine Kandidatur von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan frei machen. Abgeordnete der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP sagten Erdogan in geheimer Wahl bereits Unterstützung zu. Die AKP war bei den von Erdogan zum Test erklärten Kommunalwahlen Ende März mit mehr als 45 Prozent der landesweit abgegeben Stimmen erneut die mit Abstand stärkste politische Kraft geworden.

Das türkische Parlament gab dem Geheimdienst MIT auf Initiative der AKP freiere Hand für Überwachung und konspirative Einsätze. Zugleich soll der Diebstahl geheimer MIT-Dokumente künftig mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden, die Veröffentlichung mit bis zu neun Jahren. Alle öffentlichen Institutionen und Banken müssten dem Dienst auf Antrag Daten zugänglich machen, berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu. Für Ermittlungen gegen MIT-Bedienstete sei künftig die Zustimmung des Geheimdienstes selbst nötig.

Die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) kündigte nach dem Votum der Abgeordneten für das Gesetz am Donnerstagabend an, gegen die Änderungen vor dem Verfassungsgericht zu klagen. Seit Dezember liefert sich Erdogan einen Machtkampf mit Widersachern, die Korruptionswürfe mit zahlreichen abgehörten Telefonaten belegen wollen. Diese wurden im Internet verbreitet. Nach seinem Wahlsieg wuchs die Sorge, er könne die Verfolgung politischer Gegner verschärfen.