Abuja. .

Seit Jahren verspricht Nigerias Präsident Goodluck Jonathan seinen Landsleuten einen Sieg über die Terroristen der islamistischen Boko Haram. Stattdessen wird die Sekte immer stärker, die Zahl der ­Toten und Verletzten steigt. Der ­Aggressivität der Islamisten fallen immer mehr Menschen zum Opfer – längst nicht mehr nur im islamisch dominierten Norden des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas.

Die Regierung scheint trotz aller Offensiven der vergangenen Jahre machtlos. „Boko Haram ist ein vor­übergehendes Problem“, sagte Jonathan erst am Dienstag wieder – ­obwohl erst wenige Stunden zuvor bekannt geworden war, dass vermutlich Mitglieder der Sekte mindestens 100 Mädchen aus einer Schule im Norden des Landes entführt hatten.

Einen Tag zuvor waren bei einem Bombenanschlag auf einen Busbahnhof in einem Vorort der Hauptstadt Abuja nach Augenzeugen­berichten mehr als 200 Menschen getötet worden. Die Behörden sprachen von 71 Toten und 124 Verletzten und machten, obwohl sich ­niemand zu der Tat bekannte, Boko Haram dafür verantwortlich.

„Die Regierung tut alles, was in ihrer Macht steht, um Fortschritte in unserem Land zu machen. Wir werden darüber hinwegkommen“, versicherte Jonathan. Doch danach sieht es nicht aus. Bereits vor knapp einem Jahr hatte Jonathan nach einer Anschlagserie den Ausnahmezustand über die nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa verhängt. Tausende Militärs mit Sonderbefugnissen wurden entsandt und schon bald teilte die Regierung mit, fast alle Islamistencamps seien unter Kontrolle gebracht worden. Zudem gab es immer wieder Festnahmen mutmaßlicher Extremisten.

Die Maßnahmen scheinen Boko Haram eher beflügelt zu haben. Zudem änderte die Gruppe ihre Taktik: Waren lange vor allem Kirchen und Polizeiwachen das Ziel, werden nun alle Bevölkerungsgruppen attackiert. Boko-Haram-Mitglieder sind in den vergangenen Monaten zunehmend in Dörfer eingefallen, wo sie alles und jeden wahllos nieder­gemetzelt haben. Sie schleuderten Granaten auf Märkte, stürmten Schulen, wo sie ihren Opfern die Kehlen durchschnitten, oder sie sprengten Fußballfans in die Luft.

1500 Opfer seit Jahresbeginn

Experten des Think Tanks Inter­national Crisis Group (ICG) warnen, die wachsende Stärke und Verbreitung von Boko Haram bedrohe nicht nur die Stabilität Nigerias, sondern auch die der Nachbarländer. Ein wesentlicher Grund dafür sei, dass es Nigerias politischer Elite am „Willen zu radikalen Reformen in der Regierung und der politischen Kultur fehlt“, betonte der Direktor von ICG Afrika, Comfort Ero. Nur deshalb sei der wachsende Einfluss von Boko Haram möglich gewesen.

Seit Beginn des Jahres fielen nach nigerianischen Schätzungen mindestens 1500 Menschen dem Terror zum Opfer – die meisten im Nord­osten, wo die Extremisten der Bevölkerung seit 2009 einen Gottesstaat auf Grundlage der Scharia aufzwingen wollen. Dort hat die Boko ­Haram fast eine Million Menschen vertrieben. Boko Haram heißt so viel wie „westliche Bildung ist ver­boten“. Über Organisation und Mitgliederzahlen ist wenig bekannt. Die Gruppe soll Verbindung zu afrikanischen Al-Kaida-Ablegern haben.