Berlin. Erst läuft der Vorsitzende davon, nun zerlegt sich der NSA-Ausschuss in seiner zweiten Sitzung: Die Koalition lässt die Entscheidung über eine Befragung des US-Informanten Edward Snowden vertagen. Die Opposition ist empört - und spricht von Verzögerungstaktik aus Rücksicht auf die Kanzlerin.

Im NSA-Untersuchungsausschuss ist es am Donnerstag zum offenen Streit über die Frage einer möglichen Anhörung des US-Informanten Edward Snowden gekommen. Die Oppositionsvertreter in dem Gremium warfen Union und SPD vor, durch Verfahrensanträge die Entscheidung über eine Einvernahme Snowdens absichtlich verzögern zu wollen. Die Linken-Abgeordnete Martina Renner sprach nach der Sitzung von einem "sehr ärgerlichen Verlauf". Die Opposition sei nicht nur unzufrieden, sondern besorgt, "ob der Ausschuss seinem Aufklärungsauftrag entsprechen kann".

Nach den Worten Renners wurde mit der Mehrheit von Union und SPD im Ausschuss ein Antrag beschlossen, die Bundesregierung um eine Vorprüfung der Frage zu bitten, unter welchen Bedingungen eine Vernehmung Snowdens durch den Ausschuss möglich wäre. "Wir befürchten, dass wenn in der Antwort steht, dass es große Schwierigkeiten geben könnte, dies zum Anlass genommen wird, die Zeugenbefragung ganz zu verhindern", sagte Renner.

Grüne fordern: Erst laden - und dann sehen, ob er kommen kann

Der Grünen-Obmann Konstantin von Notz warf seinen Kollegen von Union und SPD vor, "ganz bewusst" gegen das Recht der Opposition zu agieren, mit einem Viertel der Stimmen im Ausschuss die Vorladung eines Zeugen zu beantragen. Erwägungen, ob ein Zeuge erreichbar sei und unter welchen Umständen er kommen könnte, seien nachgelagert zu dem Beschluss, ihn überhaupt zu laden, sagte der Grünen-Abgeordnete mit Blick auf Snowden. Union und SPD spielten hier offenbar "lieber auf Zeit".

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Die Affäre über massenhaftes Abgreifen der Internet- und Telefonkommunikation deutscher Bürger durch ausländische Geheimdienste war im vergangenen Sommer durch Enthüllungen des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiter Snowden ins Rollen gekommen. Am Mittwoch war der bisherige Vorsitzende Clemens Binninger (CDU) völlig überraschend zurückgetreten mit der Begründung, die Opposition versuche die Ausschussarbeit durch das Beharren auf der Einvernahme Snowden politisch zu instrumentalisieren.

Bundesregierung muss bis 2. Mai antworten

Die Ausschussmitglieder von SPD und CDU wiesen die Vorwürfe der Opposition zurück. Der Bundesregierung sei für die Beantwortung des Prüfantrags eine Frist bis zum 2. Mai gesetzt worden, sagte der SPD-Obmann Christian Flisek. Bis dahin werde eine "verbindliche Antwort" erwartet, so dass in der folgenden Sitzung des Untersuchungsausschusses über die Ladung Snowdens beraten werden könne.

Der CDU-Obmann Roderich Kiesewetter hob hervor, dass die Union im Ausschuss konstruktiv mitarbeiten wolle. "Uns ist sehr daran gelegen, dass wir mit diesem Untersuchungsausschuss in der Bevölkerung auch verloren gegangenes Vertrauen wiedergewinnen."

Ruhe - weil Merkel im Mai in die USA will?

Flisek verwahrte sich zudem gegen Vermutungen, dass die Bundesregierung oder ihre Vertreter Druck auf den Ausschuss ausgeübt hatten: "Das sind wahrheitswidrige Behauptungen, das ist nicht der Fall." Er wies auch Berichte zurück, nach denen der Ausschuss womöglich deshalb die Entscheidung über die Vernehmung Snowdens hinauszögere, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Anfang Mai eine USA-Reise unternehmen will. (afp)