Brüssel/Berlin. .
Die Nato hat die militärische Kooperation mit Russland ausgesetzt und bereitet sich auf die mögliche Stationierung und die Verstärkung „militärischer Mittel“ in den östlichen Bündnisländern vor. Dies vereinbarten die Nato-Außenminister gestern in Brüssel. Angaben darüber, um welche „Mittel“ es sich handele, gab es nicht. Laut einer Sprecherin wurden aber die Militärs beauftragt, Manöverpläne zu „überprüfen“. Die Bereitschaft der „Schnellen Eingreiftruppe“ der Nato könne erhöht werden, hieß es weiter.
Diese Entscheidung kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass in der Nato große Uneinigkeit darüber herrscht, wie das Bündnis auf die aggressive Ukraine-Strategie Russlands reagieren soll.
Durch das Bündnis geht ein Riss. Während westeuropäische Nato-Länder wie Deutschland vor allem auf Verhandlungen mit dem Kreml setzen, drängen östliche Länder wie Polen auf eine Verlagerung von Bodentruppen und schweren Waffen an die Nato-Ostgrenze. Bestärkt fühlen sich diese Staaten in ihrer Haltung offenbar dadurch, dass der von Kreml-Chef Wladimir Putin angekündigte Truppenabzug von der Grenze zur Ukraine bis gestern nicht eingeleitet wurde.
In der Nato fühlen sich vor allem die drei baltischen Staaten sowie Polen und Rumänien von Russland zunehmend bedroht. In den 90er-Jahren hatte die Nato gegenüber Russland versichert, keine Truppen in größerem Umfang in den östlichen Mitgliedsstaaten zu stationieren. Polen strebt nun einen Kurswechsel an.
„Natürlich können sich Vorsätze im Lichte neuer Entwicklungen ändern“, sagte der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski vor der gestrigen Sitzung der EU-Außenminister in Brüssel. Polen sei inzwischen seit 15 Jahren Nato-Mitglied und das einzige, was es an Präsenz des Bündnisses in seinem Land gebe, sei ein Konferenzzentrum. „Wir wären dankbar für alles, was wir bekommen können“, sagte Sikorski mit Blick auf Bodentruppen und schwere Waffen.
Zuvor hatte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen die Stationierung von Nato-Bodentruppen an der Ostgrenze des Bündnisses zwar abgelehnt. Er sicherte den östlichen Mitgliedern aber gleichzeitig erneut den militärischen Beistand der Nato zu.
Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, es gehe darum, „dass sich alle diese Staaten, die sich bedroht fühlen müssen, der Nato-Solidarität sicher sein können“. Er sprach von einer „Zeit der Zuspitzung und der Verschärfung des Konflikts“.
Deutsche Jets ins Baltikum
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rechnet trotz noch fehlender Anzeichen für eine russische Truppenreduzierung an der ukrainischen Grenze mit einem Teilrückzug der Soldaten. „Ich kann nur das nehmen, was mir der russische Präsident gesagt hat“, erklärte Merkel gestern in Berlin. Die Bundesregierung hatte am Montagabend mitgeteilt, dass Putin Merkel in einem Telefonat über den von ihm angeordneten Teilrückzug informiert habe. Sie habe derzeit keine Zweifel, dass es dazu kommen werde, sagte die Kanzlerin.
Nichtsdestotrotz ist Deutschland zur Entsendung von sechs „Eurofighter“-Kampfjets ins Baltikum bereit. Die Maschinen sollen zur Überwachung des Luftraums von Estland, Lettland und Litauen eingesetzt werden. Nach Angaben von Nato-Diplomaten traf eine entsprechende Mitteilung Berlins in der Nato-Zentrale ein. Außerdem stellte Deutschland die Entsendung eines Minenräumschiffes in die östliche Ostsee in Aussicht.
Bis zu 40 000 russische Soldaten
Russland hat nach Erkenntnissen der Nato „zwischen 35 000 und 40 000 Soldaten“ unweit der Grenze zur Ukraine stationiert. „Wir sehen täglich einige Bewegungen bei diesen Truppen, aber wir haben noch keinen Rückzug gesehen“, sagte dazu ein ranghoher Offizier des Bündnisses gestern in Brüssel. „Wenn es einen Abzug gäbe, dann wüssten wir das mit großer Sicherheit.“