Essen. .
Jörg Asmussen ist einer der Vorsichtigen. Wenn der Staatssekretär spricht, wägt und wählt er die Worte. Botschaften versteckt er gerne in Nebensätze. Sozialdemokrat Asmussen, der Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank war, der den Euro in- und auswendig kennt und jetzt in der Spitze des Berliner Sozialministeriums arbeitet, hat in der Essener Gruga seine Eindrücke von der Lage an Europas offener Wirtschaftsflanke erklärt: der der Gemeinschaftswährung. Fast 2000 Zuhörer haben seinen Bericht beim Politischen Forum Ruhr verfolgt.
Parlament für den Euro
Asmussens wichtigste Botschaft wirkt beruhigend: „Die Euro-Krise ist noch nicht überwunden“, sagt er zwar. Europa brauche „mehr wettbewerbsfähige Deutschlands“. Aber die Strategie bei der Krisenbewältigung? Sie wirke. „Wir haben keine Existenz bedrohende Krise mehr in der Eurozone“.
Mit seiner zweiten Botschaft fordert er ein Umdenken: Er will für die 18 Länder, deren Bevölkerung mit dem Euro zahlt, eine eigene Organisation. Sie sollte über ein eigenes Budget, über eigene Steuereinnahmen und „eine eigene parlamentarische Kontrolle“ verfügen. „Eine persönliche Meinung“ nennt er die Idee, die auf eine umfassende Änderung der europäischen Verträge hinaus laufen würde. Doch am Ende werde es ohne ein „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“ nicht gehen.
Der 48-jährige sieht die über zwanzigjährige Geschichte des Euro durchaus kritisch. „Ja, man hätte es anders machen können“, räumt er ein. Und: „Die Wirtschafts- und Währungsunion hatte von Anfang an Konstruktionsfehler. Das fiel in den weltwirtschaftlich guten Zeiten bis 2007 nicht besonders auf“. So komme es ihm heute wie ein „blinder Fleck“ vor, dass Euro-Länder ihre unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit nie offiziell begutachtet hätten. Heute sei das ein Maßstab. An dieser Stelle sei genau so korrigiert worden wie bei den Kontrollen des EU-Statistikamtes. Sie sind, sagt er, jetzt vor Ort in den einzelnen Ländern möglich. Vor der Krise ging das nicht. Was bedeutet: Sich die Lage schön zu malen wie es einst Griechenland getan hat, sollte nicht mehr vorkommen.
Wie also sieht es heute in den Krisenländern des Euro aus? Der gelernte Wirtschaftswissenschaftler ist ausgerechnet für das Krisenland Nr. 1 optimistisch: „Griechenland könnte in diesem Jahr erstmals ein positives Wachstum haben“. Doch was passiert, wenn Länder wie Frankreich abstürzen?
Keine neuen Schulden
In die französische Politik habe er „Vertrauen“, sagt er. Grundsätzlich. Er mahnt aber auch „ohne, dass ich dem französischen Staatspräsidenten Empfehlungen geben würde“: Paris müsse die inneren Reformen vorantreiben. Das Staatsdefizit müsse unter drei Prozent sinken. Die Wettbewerbsfähigkeit des Landes müsse „nach Jahrzehnte langer Erosion“ gestärkt werden. „Sie haben schon Dinge auf dem Arbeitsmarkt getan. Aber sie werden weitergehen müssen“. Ihm wäre es sympathisch, wenn sich ins Schleudern geratene Euro-Staaten nach dem Vorbild der deutschen „Agenda 2010“ umbauen würden, macht er klar. Bevölkerung und Politik in Deutschland empfiehlt er dennoch: „Nicht alles Schwarz-Weiß malen. Nicht denken: Wenn ein Land nicht reformiert, bricht die Eurozone auseinander“.
Jörg Asmussen hat als Beamter fünf Bundesfinanzministern unterschiedlicher Parteifarben gedient – von Theo Waigel über Oskar Lafontaine, Hans Eichel, Peer Steinbrück bis Wolfgang Schäuble. Die CDU-Kanzlerin hat er 2011 als „Sherpa“ beim G 20-Gipfel begleitet. Er ist aber seit 1986 Mitglied der SPD und vertritt – nicht nur jetzt im Sozialministerium unter Andrea Nahles – ihre Linie: Europas Wirtschaftskraft müsse durch Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Energie gestärkt werden; „jährlich geben wir 75 Milliarden Euro zu wenig aus“. Es sei zudem entscheidend, die große Jugendarbeitslosigkeit in südlichen Euro-Ländern „durch ein Bündel von Maßnahmen“ zu senken. Eine Sache sieht der Staatssekretär aber als gemeinsame Grundlage beider Koalitionspartner: Festhalten am Kurs, der ohne neue Kredite auskommt.