Brüssel. .

„Wir wollen Teil der großen europäischen Familie sein“, sagt Arseni Jasenjuk, ukrainischer Premierminister auf wackligem Übergangsposten. „Das ist der erste Schritt auf dem Weg zur Voll-Mitgliedschaft!“ Die politischen Oberhäupter der EU-Familie spenden eine Runde Applaus. Dann setzen alle ihre Unterschrift unter ein Abkommen, das den bedrängten Staat am Ostrand des Kontinents politisch eng an die EU bindet. Eine gemeinsame Verpflichtung auf die Prinzipien von Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte und Grundfreiheiten. „Existenziell“, meint Jasenjuk, und der Gipfel-Vorsitzende Herman Van Rompuy sagt: „Dies ist erst der Auftakt.“

Gipfel-Gast aus Kiew

Ob es tatsächlich der Auftakt wird auf dem Weg der Ukraine zur EU-Mitgliedschaft, muss sich noch zeigen. Nicht alle sind davon so überzeugt wie der Gipfel-Gast aus Kiew. Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht vorsichtiger von „einem deutlichen Hinweis, dass wir die Ukraine gern enger an uns binden.“ Jedenfalls ist es eine Wiederaufnahme: Das Abkommen, dessen politischer Teil jetzt besiegelt wurde, stand im November am Anfang der Krise, die mit dem russischen Zugriff auf die Krim ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte. Der mittlerweile aus dem Amt gejagte Präsident Viktor Janukowitsch weigerte sich damals, den fertig ausgehandelten Assoziierungsvertrag mit der EU zu unterzeichnen.

Jetzt steht auch der zweite Teil des Abkommens, der eine „tiefe und umfassende Freihandelszone“ schaffen soll, auf der Tagesordnung der EU, die allerdings noch die Auswirkungen auf Russland prüfen will. Im Vorgriff dürfen die Ukrainer schon für knapp eine halbe Milliarde Waren zollfrei auf dem EU-Binnenmarkt verkaufen. Außerdem soll der Internationale Währungsfonds mit Hochdruck die Bedingungen für eine Kredithilfe klären, mit der die schlimmsten Finanznöte der Regierung Jasenjuk gelindert werden könnten. Die EU will ihr 1,6 Milliarden borgen.

Im Eil-Verfahren zum VIP-Partner

Während die Ukraine im Eil-Verfahren zum VIP-Partner im Osten befördert wird, stellt die EU den langjährigen „strategischen Partner“ Russland in die Schmuddel-Ecke. Die systematische Zusammenarbeit mit der Führung des Präsidenten Wladimir Putin wird bis auf weiteres ausgesetzt, alle Gipfeltreffen, einschließlich der deutsch-russischen Konsultationen, sind abgesagt. „Der unglaubliche Vertrauensverlust“ lasse Kooperation im großen Format derzeit nicht zu, erläutert die Kanzlerin. „Dazu braucht es eine bestimmte Atmosphäre.“ Die Kontakte sollen nur punktuell weiterlaufen, auch über sie persönlich und Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Zugleich verlängert die EU die Liste der russischen und ukrainischen Offiziellen, die wegen Handlanger-Diensten bei der Annexion der Krim mit Einreise-Verbot und Kontensperrung belegt werden. Die Brüsseler Kommission soll zudem Wirtschaftssanktionen für den Fall vorbereiten, dass Moskau die Ukraine weiter unter Druck setzt.

Auch die Nato storniert das normale Tagesgeschäft mit Putins Vertretern. Anders als nach dem Georgien-Krieg (2008) wird der Nato-Russland-Rat zunächst nicht komplett stillgelegt, für Beratungen auf Botschafter-Ebene soll diesmal „ein Dialogfenster“ offen bleiben.

OSZE-Beobachter können reisen

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hat mit der Stimme Russlands den Einsatz von 100 zivilen Beobachtern in der Ukraine beschlossen. Die Entscheidung sei unter den insgesamt 57 Mitgliedern einstimmig gefallen, berichteten Diplomaten am Freitagabend. Die Halbinsel Krim, die sich von der Ukraine lossagte, ist in dem Beschluss nicht erwähnt.