Berlin/Moskau. Aus Protest gegen Russlands Verhalten in der Krim-Krise droht die Europäische Union (EU) Moskau mit verschärften Sanktionen.
Am kommenden Montag könnten die EU-Außenminister in Brüssel weitere Strafmaßnahmen wie Einreiseverbote und Kontensperrungen beschließen, erklärten Diplomaten in Brüssel. Der britische Premierminister David Cameron kündigte am Montag in London Sanktionen für mächtige Russen mit engen Beziehungen zur Regierung in Moskau an. Am Sonntag hält die Krim das international nicht anerkannte Referendum über einen Anschluss an Russland ab.
Die ständigen Nato-Botschafter der 28 Mitgliedstaaten beschlossen, Awacs-Überwachungsflugzeuge über Polen und Rumänien patrouillieren zu lassen. Dies sei Teil von Bemühungen der Militärallianz, die Krise in der Ukraine zu beobachten, teilte ein Nato-Beamter in Brüssel mit.
US-Außenminister John Kerry lehnte eine Einladung zu einem Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow in dieser Woche in Moskau ab. Er werde sich nur dann persönlich auf diese Weise engagieren, wenn Moskau ernsthaft zu Gesprächen über internationale Vorschläge zur Lösung der Krim-Krise bereit sei, sagte US- Außenamtssprecherin Jen Psaki am Montag in Washington. Die USA warteten nach ihren Worten auf eine Moskauer Antwort auf die "konkreten" Vorschläge. Kerry habe Lawrow am Samstag klar gesagt, dass die USA ein Ende der russischen Intervention auf der Krim und "provokativer Schritte" sehen wollten.
Der britische Premier Cameron sagte, mehrere EU-Vertreter wollten am Dienstag in London eine Liste von 18 Personen zusammenstellen, denen Strafmaßnahmen drohten, sollte Russland seine Politik auf der Krim nicht ändern. Es sei wichtig, den Ereignissen in der Ukraine nicht "blind zuzuschauen". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte Russland nochmals zur Mitwirkung an einer internationalen Kontaktgruppe zur Lösung der Krim-Krise auf. Am Donnerstag gibt Merkel im Bundestag eine Regierungserklärung zur Ukraine ab.
Auf der Krim blieb die Lage angespannt. Bewaffnete nahmen nach ukrainischen Medienberichten am Montag einen Militärstützpunkt in Bachtschissaraj ein. Außerdem brachten die prorussischen Kräfte das Militärkrankenhaus der Krim-Hauptstadt Simferopol unter ihre Kontrolle.
Die Bundesregierung zeigte sich äußerst unzufrieden mit der Rolle Russlands. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag in Berlin zu den bislang gescheiterten Vermittlungsbemühungen: "Die Zeit für einen solchen Versuch des Gesprächs und der Verständigung drängt." Die russische Seite habe noch immer nicht die "nötige Bereitschaft" gezeigt. Moskau weigert sich bislang, mit der prowestlichen neuen Führung in Kiew in einer Kontaktgruppe zu reden.
Seibert verwies zugleich auf den von der EU beschlossenen Fahrplan für Sanktionen. "Wir wollen ganz klar den Weg des Gesprächs und der Verständigung. Noch ist es nicht zu spät. Es bleibt noch ein wenig Zeit. Aber wir sind gegebenenfalls auch bereit zu handeln." Deutschland sei auch zu einer "breiten Palette an wirtschaftlichen Maßnahmen" bereit.
Die EU hatte in der vorigen Woche einen Drei-Stufen-Plan beschlossen, falls sich Russland von der Krim nicht zurückzieht. Als erster Schritt wurden die Verhandlungen mit Moskau über Visa-Erleichterungen für Russen ausgesetzt. Auch über ein neues Partnerschaftsabkommen mit Russland wird vorerst nicht weiter verhandelt.
Auch die EU wirft Russland vor, keinen Beitrag zur Lösung des Konflikts zu leisten. "Wir sind beunruhigt über das Ausbleiben von Zeichen der Deeskalation", sagte eine Sprecherin der EU-Kommission. Zugleich wolle man die prowestliche Führung in Kiew unterstützen. Die EU arbeite "sehr intensiv" an dem Verzicht auf Einfuhrzölle für Importe aus der Ukraine. Die angebotenen 1,6 Milliarden Euro Zahlungsbilanzhilfe sollten "in den nächsten Wochen" zur Auszahlung bereit sein, "sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind".
Außenminister Frank-Walter Steinmeier besucht an diesem Dienstag die drei baltischen EU-Mitglieder Estland, Lettland und Litauen. Wegen der Krim-Krise hatte Kanzlerin Merkel am Wochenende verschiedene Telefonate geführt, unter anderem mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, US-Präsident Barack Obama und dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Die Türkei erklärte sich nach deutschen Angaben bereit, in einer Kontaktgruppe mitzumachen.
Auch Obama hatte Russland zuvor mit weiteren Strafmaßnahmen gedroht, sollte Moskau nicht einlenken. Mitten in der Krim-Krise trifft der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk an diesem Mittwoch in Washington mit dem US-Präsidenten zusammen.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderte den Abzug der russischen Truppen von der ukrainischen Halbinsel Krim. "Wir erwarten, dass Russland seine internationalen Verpflichtungen erfüllt, seine Truppen zurückzieht und sich nicht in sonstigen Regionen der Ukraine einmischt", sagte er der "Bild"-Zeitung (Montag). "Auf der Karte Europas im 21. Jahrhundert sollte niemand versuchen, neue Grenzen zu ziehen." Die ukrainischen Streitkräfte rückten landesweit zu Militärübungen aus, um nach eigenen Angaben die eigene Gefechtsbereitschaft zu überprüfen.
Die selbst ernannte Führung der Krim rechnet bei dem umstrittenen Referendum am kommenden Sonntag mit einer großen Mehrheit für einen Anschluss an Russland. "Mehr als 80 Prozent der Einwohner der Krim sind für den Beitritt zu Russland", behauptete der moskautreue Parlamentschef Wladimir Konstantinow. Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow kündigte an, mehr als 1500 Bewaffnete sollten die Wahllokale schützen. Der Kreml hat bereits zugesichert, bei einem entsprechenden Votum die völkerrechtlich zur Ukraine gehörende Krim in die Russische Föderation aufzunehmen.
In mehreren Großstädten der Süd- und Ostukraine gibt es Forderungen nach einer Abstimmung wie auf der Krim. In Charkow wurde der Präsidentschaftskandidat Vitali Klitschko bei einem Auftritt mit Eiern, Steinen und Feuerwerkskörpern angegriffen.