Simferopol. Er gilt als guter Freund von Kremlchef Putin. Gleichwohl hält er das russische Vorgehen für völkerrechtswidrig. Unterdessen verpuffen die Warnungen der USA und der EU. Ermutigt durch den Kreml drücken die neuen Machthaber in Simferopol aufs Tempo.

Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hält das Vorgehen Russlands in der Ukraine für völkerrechtswidrig, kritisiert aber auch die Politik der Europäischen Union. Die Europäische Kommission sei qualitativ in einem desolaten Zustand und habe "nicht im entferntesten kapiert (...), dass das ein kulturell gespaltenes Land ist, und dass man mit einem solchen Land so nicht umgehen kann", sagte Schröder am Sonntag auf einer Matinee der Wochenzeitung "Die Zeit" in Hamburg. Die Kommission habe schon am Anfang den Fehler gemacht, ein Assoziierungsabkommen unter dem Motto "entweder-oder" abschließen zu wollen. Schröder ist ein Freund von Russlands Präsident Wladimir Putin.

"Natürlich ist das, was auf der Krim geschieht, ein Verstoß gegen das Völkerrecht", so der Altkanzler. Dennoch wolle er Putin, der seiner Ansicht nach "Einkreisungsängste" hat, nicht verurteilen. Er selbst habe als Kanzler beim Jugoslawienkonflikt ebenfalls gegen das Völkerrecht verstoßen. "Da haben wir unsere Flugzeuge (...) nach Serbien geschickt und die haben zusammen mit der Nato einen souveränen Staat gebombt - ohne dass es einen Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte." Insofern sei er vorsichtig mit dem erhobenen Zeigefinger.

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Skeptisch zeigte sich Schröder hinsichtlich der Motive der früheren ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko. "Von der weiß man ja auch nicht, welche materiellen Interessen sie hat. Die Gefahr (...) ist doch, dass die gewaltigen Hilfsgelder, (...) für die ich bin, wieder in den falschen Kanälen landen können."

Krim-Führung will Angliederung an Russland bis Ende März umsetzen

Eine Woche vor dem umstrittenen Krim-Referendum hat die politische Führung der Halbinsel einen schnellen Beitritt zur Russischen Föderation angekündigt. "Der Übergangsprozess in eine neue Rechtsprechung ist kompliziert. Aber wir gehen davon aus, dass alles noch im März gelingt", sagte der Vorsitzende des prorussischen Regionalparlaments, Wladimir Konstantinow, am Samstag in Simferopol nach Angaben der Agentur Itar-Tass. Die EU und die USA haben Russland für den Fall einer Annexion der Krim weitere Sanktionen angedroht.

Bei dem Referendum am 16. März sollen die Bewohner der Halbinsel entscheiden, ob die Krim sich der Russischen Föderation anschließt. Eine prorussische Mehrheit gilt als sicher. Die über Jahrhunderte russische Halbinsel gehört völkerrechtlich zur Ukraine, die das Vorgehen Moskaus für einen Bruch internationalen Rechts hält.

Der Kreml hat bereits angekündigt, die Schwarzmeer-Halbinsel eingliedern zu wollen. Konstantinow versprach den Staatsbediensteten auf der Krim, dass sich deren Einkommen in Zukunft im Schnitt vervierfachen werden.

US-Präsident Obama intensiviert Krisendiplomatie

Angesichts der kompromisslosen Haltung Russlands hat US-Präsident Barack Obama seine Krisendiplomatie intensiviert. Nach einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach er am Samstag mit den politischen Führern Großbritanniens, Frankreichs und Italiens sowie mit den Präsidenten der drei baltischen Staaten.

Nach Angaben des Weißen Hauses forderten alle Gesprächspartner übereinstimmend, dass Russland die Soldaten auf der Krim zurück in ihre Kasernen schicken solle. Gemeinsam mit Frankreichs Präsident François Hollande habe Obama auch über neue Sanktionen gegen Russland gesprochen, teilte der Élysée-Palast mit.

OSZE-Beobachtern wird Zugang zur Krim verwehrt

Seit Tag versuchen OSZE-Militärbeobachter vergeblich, auf dem Landweg von der Südukraine zur Krim zu gelangen. Am Samstag spitzte sich die Lage erheblich zu. Mit Warnschüssen verwehrten prorussische Uniformierte den Zugang zur Krim. Die bewaffneten Männer hätten mit zwei Salven die Weiterfahrt des Busses mit den Experten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verhindert, hieß es aus diplomatischen Kreisen in Wien. Eine OSZE-Sprecherin sagte, bei dem Zwischenfall in der Nähe des Kontrollpunktes Armjansk im Norden der Krim sei niemand verletzt worden.

Prorussische Einheiten kontrollieren seit einer Woche die mehrheitlich von Russen bewohnte Krim. Moskau bestreitet jedoch, Soldaten außerhalb vereinbarter Gebiete einzusetzen. Bewaffnete in Uniformen ohne Hoheitsabzeichen seien "Selbstverteidigungskräfte", die nicht unter dem Kommando des Kreml stünden. Nach einem unbestätigten Zeitungsbericht haben prorussische Kräfte damit begonnen, den Übergang zur Halbinsel zu verminen.

Bundesregierung will Russland zum Einlenken bewegen 

Die OSZE-Experten sollen die militärischen Aktivitäten Russlands auf der Krim beobachten. Moskautreue Bewaffnete hatten den Militärbeobachtern bereits am Donnerstag und Freitag mehrfach den Zugang zu der Schwarzmeerhalbinsel versperrt. Die OSZE-Mission ist bis zum kommenden Mittwoch befristet. Aus Sicht Moskaus sind nur die neuen Machthaber in Simferopol befugt, den OSZE-Experten ein Mandat für die Krim zu erteilen.

Die Bundesregierung will nach einem Medienbericht in den kommenden Tagen einen weiteren Versuch starten, um Russland durch erhöhten Druck in der Ukraine-Krise zum Einlenken zu bewegen. Berlin plane, "eine möglichst breit angelegte internationale Koalition zu mobilisieren", die sich gegen eine Eskalation der Lage stemme. Das berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" unter Bezug auf das Auswärtige Amt. Die Koalition solle die Europäische Union, die OSZE und den Europarat umfassen. Es gehe um die Vorbereitung von "klugen Gegenmaßnahmen, die Russland zeigen sollen, was auf dem Spiel steht".

Russland fordert "Dialog ohne Beschuldigungen"

Die USA und die EU hatten in dieser Woche erste Sanktionen gegen Russland beschlossen. Sollte Moskau im diplomatischen Konflikt um die Krim nicht einlenken, will die EU Einreiseverbote und Kontensperrungen verhängen. Im Extremfall will Brüssel auch wirtschaftliche Sanktionen beschließen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte den Westen zu einem "Dialog ohne Beschuldigungen" auf: "Wir sind zu partnerschaftlichen Gesprächen bereit - allerdings akzeptieren wir keine Versuche, uns als einen Beteiligten des Konflikts in der Ukraine hinzustellen", sagte er laut der Agentur Interfax. (dpa)