An Rhein und Ruhr. .
So heftig zerrt die Situation in der alten Heimat an ihren Nerven, dass Lena Belz den Fernseher gar nicht mehr einschalten mag. Sie schläft schlecht, sorgt sich um ihre Verwandten, die sie in der Ukraine zurückließ. Wie wird es für sie weitergehen? Bekommen sie im nächsten Monat überhaupt noch Lohn oder Rente? Und mag es für das Land noch eine friedliche Lösung geben?
Lena Belz ist eine von über 11 000 Ukrainern in Nordrhein-Westfalen. Sie leben hier, weil sie als Spätaussiedler zurückkehrten, so wie die Schwiegereltern von Lena Belz. Sie kamen ins Land, weil sie hier als Wissenschaftler arbeiten wie der in Mülheim lebende Pavlo Dral. Was ihnen gemein ist in diesen Tagen, ist der Blick Richtung Osten. Ihre Meinungen zur Lage der Ukraine freilich sind dabei sehr unterschiedlich.
Katharina, die Große lockte einst
Der zweite Stock einer Hochhaussiedlung in Velbert-Birth. Dort wohnen die Belz. Vor 16 Jahren kamen sie nach Deutschland, ins Land ihrer Vorfahren. Katharina, die Große, so weiß Albert Belz zu erzählen, habe die aus dem Schwäbischen stammende Familie im 18. Jahrhundert gelockt, sich in Russland anzusiedeln. Selbst seine Eltern hätten noch Deutsch gesprochen. Nun sei man zurück.
Doch Marina, ihre 47-jährige Tochter, lebt noch in der Ukraine. Mit Mann, Kindern und Enkeln. Fast täglich skypen die Eltern mit ihnen. „Jetzt haben sie das erste Mal seit Wochen wieder Lohn bekommen“, sagt Tamara Belz, die 72-Jährige, und seufzt. „Die Menschen sind sehr arm. Rentner bekommen etwa 80 Euro. Die Lebensmittel jedoch sind so teuer wie hier. In Donezk sind schon viele Menschen arbeitslos, weil die Fabriken geschlossen haben“, erklärt sie weiter. Die in Melitopol, im Süden der Ukraine lebende Tochter habe zuletzt berichtet, die Situation sei etwas stabiler, etwas ruhiger geworden. Tamara Belz: „Aber man weiß nicht, was kommt. Alle hoffen, dass es besser wird!“
Schwiegertochter Lena betont, ihr gefalle die Einmischung von Russland und der Europäischen Union nicht. „Es ist, als ob alle an diesem Land zerren“, sagt die 27-Jährige. Sorge, dass Russland sich noch stärker militärisch einmischen könnte, hat sie nicht. Zu sehr ist sie an diesem Punkt von ihren auf der Krim lebenden und Russisch sprechenden Verwandten geprägt, die die militärische Präsenz Russlands dort als Schutz versteht. „Aber meine Freundin hier in Velbert, auch eine Ukrainerin, sieht das ganz anders“, sagt Lena Belz.
Sie schalten von deutschem Fernsehen zu russischen zu Euro-News, halten sich auf dem Laufenden. Auch dem 27-jährige Pavlo Dral, einem Naturwissenschaftler des Mülheimer Max-Planck-Instituts, geht es kaum anders. „Die russische Propaganda macht es für die Russen schwer, die Situation in der Ukraine zu verstehen“, sagt Dral.
Er selbst hoffe, dass der Westen klare politische Signale setze. „Die Staaten müssen sich auf wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland einigen, sie müssen den Oligarchen dort zeigen, dass es so nicht geht“, erklärt Dral und vergleicht das Verhalten Präsident Putins mit dem von Adolf Hitler, „der auch unter dem Vorwand, die Sudetendeutschen zu schützen, die Tschechoslowakei annektiert hat“. Drals Vertrag in Mülheim läuft noch zwei Jahre. Was danach kommt, weiß er nicht, vielleicht gehe er in ein anderes westliches Land.
Putin als Gefahr für die Ukraine
Auch die 21-jährige Studentin Ksenija Gumenik, die mit ihren Eltern in Unna lebt, genießt die Demokratie in Deutschland. Sie sieht Putin als Gefahr, als jemanden, „der Stärke zeigen und die Krim an Russland anschließen will“. Für die Ukraine und ihre Verwandten in Kiew wünscht sie sich eine politische Anlehnung an den Westen. Ksenija: „Ich finde das Leben hier gut!“