Es dürfte das längste und unerfreulichste Dienstgespräch seiner Amtszeit gewesen sein. Am Schluss stand Barack Obama vor dem Scherbenhaufen seiner Russland-Politik. 90 Minuten lang sprachen der US-Präsident und sein Gegenpart in Moskau über das, was der Welt einen zweiten Kalten Krieg bescheren könnte, wenn nicht noch Schlimmeres. Was danach offiziell an die Öffentlichkeit gelangte, legt auf imposante Weise die Machtlosigkeit des mächtigsten Staatenlenkers der westlichen Welt frei.

Während Obama mahnte, warnte und vermittelte, während er analog zum Iran-Atom-Konflikt und Syriens Giftgas-Fabriken mit roten Linien hantierte und an Gewissen, Moral und Verstand appellierte, schaffte Wladimir Putin auf der Krim blass lächelnd Fakten. Die Einmischung, die der Westen zu verhindern trachtete, sie ist unter Vorspiegelung erlogener Tatsachen längst geschehen. Und das maximal invasiv. Selten zuvor in der Geschichte ist ein US-Präsident so brutal düpiert worden. Die Blamage wird Obamas außenpolitische Bilanz nachhaltig verschatten. Sie markiert den vorläufigen Höhepunkt einer Fehleinschätzung.

Obama hat sich über die Agenda und Antriebskräfte derer, die im Kreml das Sagen haben, komplett getäuscht. Seine Ankündigung von 2010, die amerikanisch-russischen Beziehungen zu modernisieren und zu entkrampfen, wirkt angesichts der auf Wiederherstellung von Prestige und Macht abzielenden Geopolitik Putins naiv. Die Quittung bekommt Obama jetzt auf der Krim. Er droht Putin. Und Putin lacht ihn aus.

Die politischen Folgekosten der schleichenden Landnahme Moskaus zahlt der russische Herrscher aus der Portokasse. Weder kann ihn die Androhung Obamas groß bekümmern, den G 8-Gipfel im Juni in Sotschi zu schwänzen. Noch beunruhigt ihn das hilflose Gerede des Westens von der drohenden politischen Isolierung. Im Gegenteil: Obama braucht Putin dringend gegen Teherans Atomwaffen-Ambitionen, gegen den Despoten Assad und beim Abzug der US-Truppen aus Afghanistan. Putin weiß, dass dass der kriegs- und entscheidungsmüde Obama wegen einer Halbinsel am Schwarzen Meer keine militärische Intervention riskieren wird. Alles andere ist für Moskau zweitrangig.