Istanbul. .

Die oppositionelle türkische Republikanische Volkspartei (CHP) will die geplante Justizreform des islamisch-konservativen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan mit einer Verfassungsbeschwerde stoppen. Die Partei habe beim Verfassungsgericht beantragt, das Reformgesetz für null und nichtig zu erklären, bestätigte der CHP-Abgeordnete Ali Riza Öztürk in Ankara.

Nachdem Staatspräsident Abdullah Gül am Dienstag das umstrittene Gesetz über die Kontrolle des Internets unterzeichnet hatte, richtet sich das Interesse in der Türkei nun auf die nicht minder kontroverse Justizreform, mit der sich die Regierung größeren Einfluss auf die Berufung von Richtern und Staatsanwälten verschaffen will. Das Parlament billigte das Gesetz am 15. Februar mit den Stimmen der Regierungsfraktion nach einer stürmischen Nachtsitzung, in deren Verlauf es im Plenum zu Schlägereien zwischen Regierungs- und Oppositionsabgeordneten kam.

Das Gesetz bringt den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte (HSYK), der bisher über die Besetzung wichtiger Positionen in der Justiz entscheidet, praktisch unter die direkte Kontrolle des Justizministeriums.

Kritiker sehen darin einen Versuch der Regierung Erdogan, die Justiz an die Kandare zu nehmen. Bereits nach Bekanntwerden der jüngsten Korruptionsvorwürfe gegen Regierungsmitglieder und regierungsnahe Geschäftsleute Mitte Dezember hatte Erdogan Tausende an den Ermittlungen beteiligte Polizeioffiziere und Dutzende Staatsanwälte versetzen lassen. Die Säuberungen in Polizei und Justiz richten sich offenbar vor allem gegen Gefolgsleute des islamischen Reform-Predigers Fetullah Gülen. Erdogan beschuldigt ihn, treibende Kraft der Korruptionsvorwürfe zu sein. Der in den USA lebende Kleriker hat in der Türkei Millionen Anhänger. Erdogan spricht von einem „Komplott“ und beschuldigt Gülen, er wolle mit seiner Bewegung einen „Parallelstaat“ aufbauen.

Die EU hat sich in den vergangenen Wochen mehrfach kritisch zu dem neuen Gesetz geäußert. Erweiterungskommissar Fühle sieht Gefahren für die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz bei der Aufklärung der Korruptionsvorwürfe. Auch der Europarat und die USA kritisierten die Reform.

Staatspräsident Gül hat noch bis Anfang März Zeit, das Gesetz zu unterzeichnen oder Veto einzulegen. Gül deutete allerdings bereits Anfang dieser Woche an, dass er die Vorlage billigen werde.