Sotschi. .

Kampfeslustig und mit ihren grellen Strickmasken stürzten die Aktivistinnen der Protestgruppe Pussy Riot aus der Polizeistation in Sotschis Stadtteil Adler. In der Olympiastadt haben sie gerade ein nach eigener Darstellung brutales Verhör mit Schlägen und psychischer Gewalt hinter sich. Auch der Zugriff sei „brutal und grundlos“ im Zentrum der russischen Stadt erfolgt, sagte Maria Aljochina von Pussy Riot am Dienstag. Nadeschda Tolokonnikowa warf der Polizei vor, sie sei mit dem Gesicht über das Parkett gezerrt worden. Nach ihren Verhören wurden die Frauen sowie Menschenrechtler Semjon Simonow und auch einige festgenommene Journalisten wieder auf freien Fuß gesetzt.

Warum sie kurz zuvor von Dutzenden Uniformierten an der Schwarzmeerküste abgeführt wurden, will das Innenministerium in Moskau nicht mitteilen. Der Grund dürften aber die Olympischen Winterspiele sein. Offensichtlich wollen die Gastgeber jedes politische Nebengeräusch vermeiden.

Blitzschnell lenkte die überraschende Polizeiaktion den Blick der in Sotschi versammelten Weltöffentlichkeit darauf, dass Kritik am Rande der von Kremlchef Wladimir Putin als Prestigeprojekt gefeierten Winterspiele nicht zugelassen ist. „Wir haben keine Aktion gemacht, gingen einfach nur durch Sotschi“, sagte Nadeschda Tolokonnikowa. Da seien, als sie sich in der Nähe einer Kirche aufhielten, die Uniformierten, darunter auch Kosaken, auf sie losgegangen.

Tolokonnikowa und ihre Mitstreiterin Maria Aljochina sind weltweit bekannt, seit sie vor zwei Jahren gegen Putin in einer Kirche protestierten und dann zu zwei Jahren Straflager verurteilt wurden. Im Zuge einer Amnestie kamen sie am 23. Dezember wieder auf freien Fuß.

Einen neuen Videoclip hätten sie gedreht mit dem Titel „Putin bringt Dir bei, Deine Heimat zu lieben“, wie Aljochina sagte. Die Künstlergruppe Art Woina, zu der Aljochina und Tolokonnikowa gehören, twitterte live Fotos von den Frauen im Polizeiauto – wie ihre Augen zwischen Brettern hervorschauen.

Mit dem neuen Lied wollen sie ausdrücken, „dass Sotschi heute eine Stadt unter Blockade ist. Es ist wie im Kriegszustand“, sagte Aljochina. Die Sicherheitsvorkehrungen sind beispiellos in der jüngeren Geschichte des Landes – auch weil Terroristen gedroht haben, das Ringespektakel zu verhindern.

Regierungsgegner und Menschenrechtler beklagen aber seit Langem, dass der Staatsapparat sich vielmehr darauf konzentriere, Kritiker am Rande der Spiele mundtot zu machen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) zeigt sich gelassen. IOC-Sprecher Mark Adams sieht das Vorgehen der Polizei als Sache der russischen Behörden.