Berlin. .
Ein Wochenende lang sann die CSU auf Rache. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Weil ihr Minister Hans-Peter Friedrich zurücktreten musste, sollte ihm auch jener Mann folgen, der ihn verpfiff: Thomas Oppermann, Chef der SPD-Fraktion. Gestern begannen die Partner der Koalition die Scherben im Fall Edathy aufzusammeln.
CSU-Chef Horst Seehofer mäßigte sich. Aus der CDU-Spitze hieß es: „Wir brauchen keinen Skalp.“ Die SPD war um Deeskalation bemüht. Oppermann wollte sogar am Abend der CSU-Landesgruppe Rede und Antwort stehen. Es wurde ihm aber bedeutet, er sei unerwünscht. Ob sie ihm je verzeihen wird, dass er bekannt gemacht hatte, dass Friedrich als Innenminister die SPD im Herbst 2013 über einen Verdacht gegen ihren damaligen Abgeordneten Sebastian Edathy informiert hatte?
Krisengipfel mit Merkel
Die CSU war so wütend, dass sie am Samstag in Erwägung gezogen hatte, dass Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt und Friedrich die Ämter tauschen. So wäre Friedrich nach seinem Rücktritt auf Augenhöhe mit Oppermann. Das Signal galt auch Kanzlerin Angela Merkel, die Friedrich aus dem Kabinett drängte.
SPD-Chef Sigmar Gabriel legt Wert darauf, dass die Kanzlerin den Rücktritt nicht mit ihm besprochen habe. Wenn es nach ihm geht, gibt es in Berlin nicht viel aufzuklären. Wenn er sich heute mit Merkel und Seehofer zum Krisengipfel trifft, geht Gabriels Blick nach vorn. Die Rückschau wäre zu deprimierend. Je mehr Details bekannt werden, desto verheerender fällt das Urteil über das miserable Krisenmanagement aus.
Besonders fatal: Der letzte Mittwoch. Nachmittags war Gabriel zu einem Fachgespräch im Kanzleramt. Am Rande informierte er Merkel, dass es Anfragen an die SPD gebe, seit wann die Vorwürfe gegen Edathy bekannt seien. Seine Partei wolle klarstellen, dass sie seit Oktober eingeweiht sei. Und Merkel? Sie intervenierte nicht. Am Abend meldete sich Oppermann bei Friedrich und wollte eine Erklärung für den nächsten Tag abstimmen. Der Minister war einverstanden, man möge ihm die Erklärung zuschicken.
Am Donnerstag wird dies um 11.21 Uhr nachgeholt – schon um 11.49 Uhr aber an die Presse gegeben. Als sich Friedrichs Büro um 11.57 Uhr meldet, ist es zu spät. Ähnlich überrumpelt mag sich BKA-Präsident Jörg Ziercke fühlen, der auch in der Erklärung erwähnt wird, weil er mit Oppermann telefoniert hatte. Nun droht ihm wie Friedrich ein Verfahren, falls er dabei Dienstgeheimnisse verraten haben sollte. Sie könnten sich bis zu Oppermann erstrecken – wegen Anstiftung zum Geheimnisverrat. Für Ziercke, der im Juli in den Ruhestand geht, stehen Pensionsansprüche auf dem Spiel.
Edathy wehrt sich
Nichts zu verlieren hat ein Mann, dessen Ruf schon ruiniert ist: Sebastian Edathy. Er geht in Hannover gegen die Staatsanwaltschaft vor, weil sie seinen Fall öffentlich aufrollte, obwohl ihm keine Straftat vorgeworfen wird. Er hatte sich eher moralisch als juristisch angreifbar gemacht, als er Nacktfotos von Knaben bestellte.
Zu Edathy hält die SPD Abstand. Sich selbst und die Führung spricht Gabriel von Vorwürfen frei. Vor allem habe man keine Informationen an den Parteifreund weitergegeben. Alle Unterstellungen seien „abwegig und diffamierend“. Bisher hatte die Opposition leichtes Spiel. „Die treiben sich selbst“, heißt es im Umfeld von Linkenfraktionschef Gysi. So einfach will es Gabriel ihm nicht mehr machen. Bei aller internen Manöverkritik gilt in der SPD das Motto „Runterfahren und Reihen schließen“.