Rom. . Nach zügigen Beratungen lässt sich Italiens Staatspräsident Napolitano überraschend Zeit mit seiner Entscheidung über eine neue Regierung. Der 88-Jährige erteilte am Sonntag noch nicht den erwarteten Auftrag zur Regierungsbildung an den Favoriten Renzi. Auch Berlusconi mischt wieder mit.
Dass sie sich gut verstehen, der 88-jährige Staatschef Giorgio Napolitano und der 39-jährige angehende Ministerpräsident Matteo Renzi, das hatte sich schon in den Tagen gezeigt, bevor Renzi zum Sturz der Regierung Letta ausholte: Da durfte er zwei Stunden lang bei Napolitano im Quirinalspalast zu Abend speisen – Audienzen dieser Länge sind eher außergewöhnlich.
Napolitano hat aus dieser Begegnung aber offenbar auch seine Lehren gezogen. Denn so schnell, wie Renzi sich das vorstellte, will ihn der Staatspräsident nicht mit der Regierungsbildung beauftragen. „Er wird alle Zeit haben, die er braucht”, sagte Napolitano am Wochenende – ganz im Gegensatz zu Renzi, dessen Stärke es bisher exakt nicht war, sich Zeit zu nehmen. In der vergangenen Woche hatte Renzi seinen Parteifreund Enrico Letta aus dem Amt gedrängt und will sich nun selbst an die Spitze der Regierung setze.
Erste Hürde: die Vertrauensfrage
Napolitanos Bremse wird Renzi nur für wenige Tage aufhalten. Die Vertrauensfrage, mit der sich der angehende Premier nach Regierungsbildung im Parlament zu stellen hat, wird sich wohl bis Ende der Woche hinausziehen. Die „Neue Rechte Mitte“, in der sich die Berlusconi-Dissidenten sammeln und die wissen, dass Renzi ohne sie keine Mehrheit bekommt, verlangt zuvor die Aushandlung eines regelrechten Koalitionsvertrags. Sie wittern einen „Linksruck“ durch Renzi.
Auf der anderen Seite formiert sich der von Renzi an den Rand gedrängte linke Flügel der eigenen, der sozialdemokratischen Partei (PD). Schon wird die Abspaltung und die Gründung einer „Neuen Linken Mitte“ erwogen, um Renzis „Rechtsruck“ zu stoppen. Gleichzeitig streuen die Linken politisches Gift auf allen Kanälen. Renzi, behaupten sie, sei in beständigem Kontakt mit Berlusconis „Forza Italia“, um mit dem bisherigen Erzfeind der Linken zu kungeln.
Berlusconi schmeißt sich ran
Auffällig ist in der Tat, wie sich Berlusconi an Renzi herandrängt. Obwohl er nach seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs kein öffentliches Amt mehr ausüben darf, ließ es sich Berlusconi nicht nehmen, als Chef der „Forza Italia“ bei den Konsultationen mit Napolitano aufzutauchen. Er kündigte in staatsmännischer Form eine „verantwortungsbewusste Opposition” an. Sandro Bondi, Berlusconis Chefideologe, meinte, man wolle mit einer Regierung Renzi zusammenarbeiten, wenn es „für das Wohl der Italiener“ nötig sei. Bisher gehörte es zum politischen Knigge Italiens, den Graben zwischen Rechts und Links in Italien nicht zu überspringen.