Washington. .
US-Präsident Barack Obama hat erstmals öffentlich eingestanden, dass seine auf Verhandlungen setzende Strategie um eine Beendigung des Bürgerkrieges in Syrien so gut wie gescheitert ist. Die Diplomatie sei „weit davon entfernt“, eine Lösung zu finden, sagte Obama in Washington. Für die „gewaltige Frustration“, die über den Zustand in Syrien herrsche, machte der Präsident in erster Linie die „Blockade-Politik“ Russlands verantwortlich.
Obama beglaubigte damit Äußerungen von Außenminister John Kerry. Der Chef-Diplomat hatte sich im Gespräch mit prominenten republikanischen Senatoren wie John McCain außerordentlich enttäuscht gezeigt über die bisherige Bilanz. Die „humanitäre Katastrophe“ sei noch prekärer geworden, wurde Kerry zitiert. Neben über 100 000 Toten und Millionen Flüchtlingen beschäftigt das Weiße Haus vor allem die Tatsache, dass Assad nach übereinstimmenden Berichten der Vereinten Nationen und internationaler Beobachter sein Volk systematisch aushungert.
Hilfstransporten für Nahrung und Medizin wird der Zugang zu betroffenen Gebiete wie Homs, Aleppo und Teilen der Hauptstadt Damaskus durch Regierungstruppen verwehrt. Versuche, dem mit Resolutionen im UN-Sicherheitsrat zu begegnen, scheiterten wie zuvor am Widerstand Russlands. Berücksichtige man zudem, dass die geplante Beseitigung der Giftgasbestände des Regimes nur zögerlich verlaufe, die Russen das Assad-Regime weiter mit Waffen belieferten und die Friedensgespräche in Genf bislang ergebnislos verlaufen seien, so Kerry, sei das Gesamtbild düster. Laut McCain soll der Außenminister die Bewaffnung moderater Rebellen, die Schaffung „humanitärer Korridore“ und ein insgesamt stärkeres militärisches Engagement der USA ins Gespräch gebracht haben. Kerrys Sprecherin dementierte dies später.
Präsident Obama hatte während des Besuchs von Frankreichs Präsident Hollande zwar erneut seine Skepsis vor einem militärischen Eingreifen in Syrien zum Ausdruck gebracht, allerdings dabei betont, dass sich „die Situation dynamisch entwickelt und wir alle möglichen Wege erkunden, um das Problem zu lösen“. Dahinter steht, dass der Präsident von seinen Sicherheitsberatern intern zu einem robusteren Auftreten ermutigt wird; nicht aus humanitären Gründen - sondern mit Blick auf die nationale Sicherheit.
CIA-Chef John Brennan und der oberste Geheimdienst-Koordinator James Clapper unterrichteten den Kongress über ein Erstarken des Terror-Netzwerkes Al Kaida im Osten Syriens. Clapper sprach von bis zu 26 000 extremistischen Kämpfern, die in das Vakuum gestoßen seien, das der Bürgerkrieg hinterlassen hat; 7000 davon aus 50 verschiedenen Ländern, darunter auch Mitgliedsstaaten der EU.
„Attackieren wir sie?“
Brennan und Clapper warnten zum ersten Mal eindringlich davor, dass von diesen Gruppen Anschläge gegen die Vereinigten Staaten verübt werden könnten. Clapper verglich das Gefahrenpotenzial in Syrien mit dem im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan, von wo aus Taliban und andere Terror-Gruppen regelmäßig Angriffe gegen den Westen inszenieren.
Innerhalb der US-Regierung hat das mögliche Szenario einer Al-Kaida-Plattform in Syrien die Debatte neu befeuert, ob die USA durch präventive Drohnen-Angriffe auch in Syrien tätig werden könnten, bevor die Lage außer Kontrolle gerät. Senator Lindsey Graham von der republikanischen Partei: „Die Frage ist: Warten wir ab, bis sie uns attackieren. Oder attackieren wir sie?“