Berlin. . Wer plauderte vorzeit Details über die Recherchen des Bundeskriminalamtes aus? Der CSU-Mann Hans-Peter Friedrich war bis Dezember 2013 Bundesinnenminister, jetzt sieht sich dem Verdacht des Geheimnisverrats gegenüber. Aber auch die SPD steht unter Druck.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann ließ die Bombe am Donnerstag platzen: „Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wurde im Oktober 2013 von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) darauf angesprochen, dass im Rahmen von Ermittlungen im Ausland der Name von Sebastian Edathy aufgetaucht sei.“

So beginnt eine schriftliche Erklärung Oppermanns, die einem dubiosen Fall von Kinderporno-Verdacht gegen einen zurückgetretenen Bundestagsabgeordneten eine politische Dimension verleiht.

War Edathy eingeweiht?

Innenminister und SPD-Spitze waren früh informiert, dass Eda­thy brisante Ermittlungen drohen. Die heikle Frage: War auch Edathy eingeweiht? Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen des Verdachts auf Verrat von Dienstgeheimnissen eingeleitet, die sich wohl gegen Ex-Innenminister Friedrich richten dürften.

Dieser Teil der Affäre beginnt im Oktober 2013, nach der Bundestagswahl. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat Informationen über mehrere deutsche Verdächtige, die in einen internationalen Fall von Kinderpornografie verwickelt sein sollen. In diesem Zusammenhang taucht auch der Name Edathy auf.

Vertrauliche Info während der Koalitionsverhandlungen

Der 44-jährige Bundestagsabgeordnete soll über Jahre hinweg Filme und Fotos mit Nacktaufnahmen von Kindern bei einer kanadischen Firma bestellt und erhalten haben – die Aufnahmen zeigen offenbar keine sexuellen Handlungen und sind angeblich auch sonst so angefertigt, dass sie nach deutschem Recht nicht strafbar sind.

Ende Oktober erfährt Minister Friedrich von den BKA-Informationen. Er ließ gestern versichern, dass er von einer Namensliste mit Edathys Erwähnung erfahren ­habe. Er will sich versichert haben, dass es nicht um strafrechtliche Vorwürfe gehe. In Berlin laufen zu dem Zeitpunkt bereits Koalitionsverhandlungen, wegen der „poli­tischen Dimension“ informiert Friedrich SPD-Chef Gabriel vertraulich – und verletzt so womöglich das Amtsgeheimnis.

Bei Gabriel kommt die Infor­mation so an, dass es einen Zusammenhang mit einem Kinderporno-Fall gibt. Er informiert SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Fraktionsgeschäftsführer ­Op­permann. Der ist es schließlich, der gestern Details offenlegt und damit auch andere zum Erzählen zwingt.

Nachfrage beim BKA-Chef

Die Mitteilung erfolgt nicht ganz freiwillig: In Berlin hatten sich Spekulationen verdichtet, die SPD-Spitze müsse schon früh informiert gewesen sein, sonst ­hätte sie den bis dahin als Innen­experten hochgeschätzten Edathy nicht zum einfachen Abgeord­neten degradiert.

Oppermann, selbst Jurist, ahnt, dass die Sache publik wird, geht ­also in die Offensive: Auch er ­betont, bei der von Friedrich ­weitergereichten Information habe es sich „ausdrücklich nicht um strafbare Inhalte“ gehandelt. Allerdings habe Gabriel von Friedrich auch den Hinweis erhalten, dass es „möglicherweise zu strafrecht­lichen Ermittlungen kommen“ werde.

Oppermann ver­sichert, Gabriel, Steinmeier und er hätten Vertraulichkeit vereinbart, „um mögliche Ermittlungen nicht zu gefährden“. Doch im ­Dezember informiert Oppermann auch die Fraktionsgeschäftsfüh­rerin Christine Lambrecht über den Fall; die hatte noch am Dienstag öffentlich jede Kenntnis bestritten. Und ­Oppermann spricht mit dem SPD-Innenexperten Michael Hartmann über Edathy. Noch im Oktober ruft Oppermann BKA-Chef Jörg Ziercke an – der habe die Informationen über Edathy bestätigt.

Durchsuchung wenig erfolgreich

Ziercke aber dementierte gestern, die Vorwürfe bestätigt zu haben. Oppermann wiederum versichert, er habe mit Edathy bis zu seinem Rücktritt keinen Kontakt in der Angelegenheit gehabt. Das beteuern auch die anderen SPD-Spitzenleute. Aber der Verdacht, dass doch jemand Edathy gewarnt hat, steht im Raum: Nach Medienberichten hat ein Anwalt Edathys schon im Dezember bei Staatsanwalt­schaften nach Ermittlungen ­gefragt. Im Januar lässt sich der ­Abgeordnete krankschreiben.

Letzten Donnerstag erklärt er den Verzicht auf sein Mandat, am Montag rücken die Ermittler an, durchsuchen seine Wohnungen und Büros. Die Ermittler finden kaum Material. Offenbar sind Rechner entfernt worden, von zerstörten Festplatten ist die Rede und einer wenig erfolgreichen Durchsuchung. Ein Zufall?