Berlin.. Berlins Regierungschef Klaus Wowereit ist trotz Rücktrittsforderungen offiziell noch immer im Urlaub. Doch ein Spiel auf Zeit in der „Steueraffäre Schmitz“ will die Opposition nicht dulden. Obwohl SPD-Chef Sigmar Gabriel “Wowi“ demonstrativ den Rücken stärkt, rührt sich auch in der SPD Kritik.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) steht wegen der Steueraffäre seines zurückgetretenen Kulturstaatssekretärs Andre Schmitz (SPD) unter Druck. Erste Rücktrittsforderungen und ein geplantes Volksbegehren für Neuwahlen in Berlin sind Zeichen einer Stimmungswende in der Hauptstadt, die dem 60-Jährigen noch gefährlich werden könnte: Ist Amtsmüdigkeit der Grund für schlechtes Krisenmanagement?

Am Sonntag ist er endlich wieder da, dringend erwartet. Als erste Amtshandlung nach dem Skiurlaub in Tirol wird Wowereit ein Essen für die Jury der Berlinale geben. Weitere Spaßtermine allerdings hat der Regierende abgesagt. Denn am Montag steht ihm statt Filmfest-Glamour ein politisches Scherbengericht bevor. Im Abgeordnetenhaus und im Berliner SPD-Vorstand muss sich Wowereit zur Steueraffäre seines engen Vertrauten Andre Schmitz erklären: 425 000 Euro aus einer Erbschaft hatte der Kulturstaatssekretär 2005 auf ein Bankkonto in die Schweiz gebracht, die Zinsen nicht versteuert.

2012 entdeckten Steuerfahnder das Konto

Der in Oberhausen aufgewachsene Schmitz stammt wie Wowereit aus einfachen Verhältnissen, wurde aber von der 2005 verstorbenen Wella-Erbin Pauline Schwartzkopf adoptiert. 2012 entdeckten Steuerfahnder das Schweizer Konto, und seitdem wusste auch Wowereit vom Steuerbetrug. Aber er tat einfach nichts, bis heute.

Der Senatschef schwieg, ließ den Vertrauten im Amt und trug als SPD-Vize sogar eine Parteikampagne gegen Steuerbetrüger mit. Als die Affäre am Wochenende öffentlich wurde, blieb der Regierende im Urlaub. Seinem Staatssekretär riet er zum Durchhalten, der trat unter dem Druck der Berliner SPD-Spitze dann doch zurück. Seitdem ahnt Wowereit, dass Aussitzen nicht mehr hilft: „Die Hütte brennt, der Herr muss ins Haus“, gab der Neuköllner Bezirks-Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) öffentlich Alarm.

FDP fordert Wowereits Rücktritt

Die Opposition pocht auf Aufklärung, FDP-Chef Christian Lindner forderte als erster Wowereits Rücktritt. Nächste Woche will eine Initiative ein Volksbegehren vorbereiten mit dem Ziel, vorzeitige Neuwahlen in Berlin einzuleiten: Wowereit habe schon länger den Elan verloren, der Steuerskandal habe das Fass zum Überlaufen gebracht, heißt es zur Begründung.

Die SPD verfolgt mit Staunen Wowereits lässige Untätigkeit. Aber nachdem der Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, die jahrelange Geheimhaltung kritisiert hatte, stoppte SPD-Chef Sigmar Gabriel persönlich die Unmutswelle der Genossen und nahm Wowereit in Schutz. Der Fall Schmitz sei bereinigt, sagte Gabriel. „Daraus jetzt einen Fall Wowereit konstruieren zu wollen, ist absurd.“ Gabriel und Wowereit sind keine Freunde.

Popularitätswerte sind im Keller

Die Arbeit des Parteichefs hat Wowereit kritisch begleitet, seinen Job als SPD-Vize gab er im November frustriert ab. Doch ein Rückzug des Regierungschefs jetzt, womöglich mit Neuwahlen, käme auch der Bundes-SPD sehr ungelegen. Wowereits Popularitätswerte sind schon im Keller, vor allem vom Debakel um den neuen Berliner Großflughafen hat er sich nicht erholt. Nach zwölf Jahren im Spitzenamt wirkt der Bürgermeister lustlos und ausgebrannt.

So schnell indes gibt es keine personelle Alternative: Der Berliner SPD-Chef Jan Stöß und Fraktionschef Raed Saleh gelten zwar als potenzielle Nachfolger, für beide käme der Wechsel aber viel zu früh. Königsmörder wolle jetzt niemand in der SPD sein, sagt der Berliner Parteienforscher Gero Neugebauer. Dazu habe die Steueraffäre „nicht genügend Sprengkraft“.

Noch hält auch der Koalitionspartner CDU mangels Alternative still. Aber die Zeit läuft gegen Wowereit: Dass er 2016 noch einmal als Spitzenkandidat antritt, gilt in der SPD als weitgehend ausgeschlossen. Wowereit selbst schweigt aber auch dazu.