Berlin. Alt gegen jung, Nachwuchs gegen die Etablierten, Rebecca Harms gegen Ska Keller. Die drohende Kampfabstimmung der Grünen um die Spitzenplätze auf der Kandidatenliste für die Europawahl beherrscht den dreitägigen Parteitag in Dresden. Wer wird sich durchsetzen?
Die Grünen hatten es sich so schön ausgedacht mit der Urwahl ihrer Spitzenleute. Die „Vorwahlen“ für die Europawahl im Mai werde viele Menschen für Politik und natürlich auch für die Grünen interessieren, schwärmte Reinhard Bütikofer. Der Chef der Europa-Grünen träumte gar einen amerikanischen Traum: Auch der frühere US-Präsident Bill Clinton sei erst „durch Primarys zum Player geworden.“
Doch wenn die Grünen heute (am Freitag) in Dresden zu ihrem Europa-Parteitag zusammenkommen, ist aus dem schönen Mitmach-Plan ein Alptraum geworden: Die Urwahl wurde zum Debakel, jetzt wird mit harten Bandagen und aufgeladen als Generationenkonflikt um die Spitzenplätze zur Europawahl gekämpft – aus der erhofften Aufbruchstimmung wird wohl nichts.
„Nicht nur Opa für Europa“
Die Europa-Abgeordnete Ska Keller (32) hat eine Kampfkandidatur gegen die Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms (57), um Listenplatz eins angekündigt. „Nicht nur Opa für Europa“, lautet Kellers kecker Wahlslogan. Die personelle Erneuerung der Grünen nach der Bundestagswahl, findet Keller, solle jetzt zur Europawahl weitergehen.
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Die junge, machtbewusste Islamwissenschaftlerin und Ex-Punkerin aus Brandenburg hatte die europaweite Internet-Abstimmung überraschend gewonnen, gemeinsam mit dem französischen EU-Parlamentarier Jose Bove. Harms, langjährige Atomkraft-Aktivistin, landete tief enttäuscht auf Platz drei. Der Haken: Es haben sich in ganz Europa nur knapp 23.000 Menschen an der Urwahl beteiligt – allein in Deutschland haben die Grünen 60.000 Mitglieder, stimmberechtigt waren sogar alle „Sympathisanten“, theoretisch jeder EU-Bürger.
„Urwahl war ein Debakel“
Nicht nur Harms sieht keinen Grund, sich an das Urwahl-Ergebnis zu halten. „Die Primary war ein Reinfall“, ätzt der scheidende Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit. Schuld an dem Debakel sei Bütikofer, der nicht zugehört habe, als man ihn auf die Fallstricke der Abstimmung hingewiesen, klagt Cohn-Bendit. „Er trägt die politische Verantwortung für dieses Debakel.“ Bütikofer muss fürchten, abgestraft zu werden: Sollte sich Harms gegen Keller durchsetzen, will der Finanzexperte und jüngere EU-Abgeordnete Sven Giegold auf Platz zwei gegen Bütikofer antreten – mit guten Chancen. Tapfer versicherte Parteichefin Simone Peter gestern dennoch, der Parteitag werde „Aufbruchstimmung“ vermitteln.
Doch auch um das Europa-Wahlprogramm werden längere Kontroversen erwartet. Wenigstens die Kritik an der Großen Koalition soll die Delegierten einen: Per Dringlichkeitsantrag soll nach dem Willen der Parteispitze den Plänen von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zur Ökostrom-Reform eine klare Absage erteilt werden.