Brüssel. .

Sie heißen „Nationale Front“, „Lega Nord“, „Freiheitliche Partei Österreichs“, „Partei für die Freiheit“, „Goldene Morgenröte“ oder „Alternative für Deutschland“. Sie sind teils fremdenfeindlich, wenn nicht rassistisch, teils eher tolerant. Die einen verabscheuen den Islam, den anderen ist er egal. Sie sind nationalistisch, liberal oder auch sozial. Die meisten sind rechts, einige links. Es gibt Modernisten und Traditionalisten. Sie sind sehr unterschiedlich, aber zweierlei haben sie gemeinsam: Widerwillen gegen die EU und politischen Rückenwind.

Beides hängt offensichtlich zusammen. Euro-Skepsis zieht. Wer sich die Europäische Union zum Sandsack nimmt, hat in der gegenwärtigen Stimmungslage gute Aussichten zu punkten. Ende Mai, vom 22. bis zum 25., wird die Stimmungslage in politische Machtverhältnisse überführt. Die 28 Mitgliedsländer wählen das neue Europa-Parlament, und nach einer neuen Analyse wird im Hohen Haus zu Straßburg in den kommenden fünf Jahren womöglich jeder Vierte der Veranstaltung Europa reserviert gegenüberstehen.

Das ergibt eine Untersuchung aus der Denkfabrik der Deutschen Bank (Deutsche Bank Research). Sie hat unter die Lupe genommen, wie 28 mehr oder weniger EU-skeptische Parteien aus 16 verschiedenen Mitgliedsstaaten abschneiden könnten, wenn man ihre derzeitigen nationalen Umfragewerte zugrunde legt. Wenn es den Euromuffeln gelingt, ihre potenzielle Anhängerschaft überdurchschnittlich gut zu mobilisieren, könnten sie insgesamt auf einen Stimmanteil von 27 Prozent kommen. Zwei Drittel der Skeptiker wären dem rechten politischen Lager zuzuordnen, ein Drittel dem linken. Zusammen hätten sie im neuen Plenum 203 der 751 Sitze.

Das ist allemal eine beachtliche Größe und nach allen Prognosen mehr, als Liberale, Grüne oder die Linke schaffen werden – zahlenmäßig. Denn das große Problem derer, die drin, aber dagegen sind, ist die Übersetzung potenzieller in tatsächliche Macht. In welchem Maße können sie ihr Gewicht auf die Matte bringen?

Für die Autoren der DB-Studie ist es jedenfalls „fraglich, ob EU-Skeptiker trotz besserer Wahlergebnisse und mehr Parlamentssitzen tatsächlich ein Einfluss gewinnen werden“.

Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen werden vermutlich auch nach den Wahlen im Mai die Christdemokraten und Sozialisten die beiden dominierenden Kräfte darstellen, wenn auch mit geschrumpftem Vorsprung (derzeit liegen sie weit vorn und halten 469 der 766 Sitze des momentan noch etwas größeren Plenums). Das ermöglicht die Fortsetzung einer Zusammenarbeit, die schon in der Vergangenheit regelmäßig funktioniert hat, etwa bei Absprachen zur Wahl des EP-Präsidenten.

Ansätze zur Verbrüderung

Für die EU-Skeptiker wird es hingegen schwierig, eine schlagkräftige parlamentarische Kooperation zu organisieren. Das Hauptproblem ist die Bündelung, sind inhaltliche Unverträglichkeiten. Zwar gibt es Ansätze zur Verbrüderung wie die zwischen Marine Le Pen, der Chefin des Front National in Frankreich, dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders und FPÖ-Vormann Heinz-Christian Strache. Bezeichnenderweise will aber Nigel Farage, der gewiefteste unter den EU-Verächtern und Chef der britischen Unabhängigkeitspartei, mit dieser Schmuddel-Allianz nichts zu tun haben. Es gilt die alte Regel: Je nationalistischer die Partei, desto schwerer wird es mit dem Internationalismus.