München. .

Seinen ersten großen Auftritt hat der Box-Champion bereits Stunden vor dem offiziellen Termin im Bayerischen Hof. Als ihn eine Gruppe japanischer Touristen auf dem Münchner Marienplatz erkennt, gibt es kein Halten mehr. Händeschütteln, Sprechchöre, spontan Musik und Gesänge, sogar in ukrainischer Sprache – Vitali Klitschko wird wie ein Freiheitsheld gefeiert. Schließlich muss ihn eine Polizei-Eskorte „befreien“, doch der Oppositionsführer aus Kiew bedankte sich bei den mehreren Hundert Menschen mit pathetischen Worten: „Ich liebe meine Heimat, ich liebe Deutschland. Nur wer kämpft kann siegen. Und wir werden siegen.“

Nervös und angespannt

Stunden später sieht die Welt einen anderen Klitschko. Eingerahmt ausgerechnet vom ukrainischen Außenminister Leonid Koschara und dem russischen Duma-Abgeordneten Leonid Slutsky sitzt der immer noch amtierende Schwergewichts-Weltmeister nervös und angespannt auf dem Podium der Sicherheitskonferenz im Hotel Bayerischer Hof.

Die Backenknochen mahlen, mit weit aufgerissenen Augen verfolgt er die Worte seines Gegenspielers Koschara, der eine Erklärung des Präsidenten Viktor Janukowitsch eins zu eins vom Blatt abliest. Von einseitiger Gewalt durch die Terroristen der Opposition ist da die Rede, von Verfassungsbruch und Kompromisslösungen, die man Klitschko und den anderen Protestparteien doch schon mehrfach angeboten habe. Aufmunterndes Kopfnicken immer wieder vom Russen Slutsky, verzweifeltes Kopfschütteln beim früheren amerikanischen Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski, der neben Koschara sitzt. Doch Klitschko kontert, mit bebender Stimme und auf deutsch.

Er spricht von der Gewalt, die einseitig von Sicherheitskräften der Regierung ausgehe, er spricht von gebrochenen Versprechen und erklärt vehement, warum er auf das Angebot von Janukowitsch zu einer Regierungsbeteiligung nicht eingehen kann: „Wir fordern ultimativ den Rücktritt des Präsidenten, sofortige Neuwahlen und eine Verfassungsreform, die die Rechte des Staatsoberhauptes – so wie in vielen westlichen Demokratien – einschränkt. Wir geben nicht auf.“ Er verteilt Fotoalben mit Bildern staatlicher Gewalt, beinahe schon eine rührend-hilflose Geste.

Vitali Klitschko ist der Star dieser Konferenz. Sein seit zwei Monaten anhaltender Kampf um eine neue, Europa zugewandte Ukraine wird auch in München von Staatenlenkern und Spitzen-Militärs aus über 50 Staaten aufmerksam verfolgt. Von Medien aus Europa und den Vereinigten Staaten, auch Russland und China, aus dem Nahen und Mittleren Osten ebenso wie aus Indien und, ja, auch aus der Ukraine, begleitet.

Klitschko spürt Unterstützung, Zustimmung, er trifft an diesem einen Tag alle aus dem Westen, die etwas zu sagen haben im internationalen Geflecht dieser unruhigen Zeit. Den US-Außenminister John Kerry, den Deutschen Frank-Walter Steinmeier, den Franzosen Laurent Fabius. Klitschko spricht auch mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Europas „Außenministerin“ Catherine Ashton. Alle sprechen ihm Mut zu, senden Durchhalteparolen, versprechen Hilfe.

Putin wird noch gebraucht

Appelle an Vernunft, Dialogbereitschaft und Gewaltfreiheit. Worte, die Klitschko wärmen. Aber eben auch nur Worte. So richtig aus dem Dickicht traut sich der Westen nicht. Zu unübersichtlich erscheint die Lage in der Ukraine, zu zerstritten wirken die Oppositionsgruppen des Landes. Klitschko, den internationalen Star, hat man sich ausgesucht als das Gesicht des Widerstandes. Auch Politstars sonnen sich gerne im Glanz seiner Popularität.

Und dann ist da ja auch noch Russland. Präsident Wladimir Putin ist stark, auch EU und Nato brauchen ihn weiterhin als globalen Gesprächspartner. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor wenigen Tagen mit ihm telefoniert. Berlin überlegt, Frank-Walter Steinmeier nach Kiew zu schicken. Als Vermittler, der gute Kontakte zu Regierung und Opposition hat. Vielleicht ergibt die Zeit der Olympischen Winterspiele, die am Freitag im russischen Sotschi eröffnet werden und für Putins weltweites Image extrem wichtig sind, eine Gelegenheit für einen vernünftigen politischen Austausch über die Ukraine. Olympiazeit – Friedenszeit?