Berlin. . Erblich vorbelastete Paare müssen weiter auf Gentests an Embryonen warten. Zwar tritt am Samstag eine entsprechende Verordnung des Bundes in Kraft, doch sind die Vorbereitungen für die Umsetzung der Präimplantationsdiagnostik (PID) noch nicht abgeschlossen, teilt das NRW-Gesundheitsministerium mit. Der Gesetzentwurf werde erst im März in den Landtag eingebracht.
Klonen, Stammzellforschung, Gentherapie, Embryonenforschung – die Biotechnologie sorgt immer wieder für aufgeregte Debatten. Stets geht es um den Zwiespalt zwischen der Chance auf Heilung und dem Schutz ungeborenen Lebens. Moral, Recht, Politik, Religion und Medizin – aus allen Bereichen kommen Stimmen und Argumente. Auch die Präimplantationsdiagnostik (PID) lieferte viel Stoff für Streit.
Der Erbguttest bei einer künstlichen Befruchtung und die anschließende Auswahl von „ungeeigneten“ Embryonen ist nach wie vor ethisch umstritten. Nach einem Jahr Debatte hatte der Bundestag am 7. Juli 2011 schließlich die PID unter bestimmten Auflagen erlaubt. Am 1. Februar 2014, knapp drei Jahre später, tritt die Verordnung in Kraft.
Eltern müssen warten
Dennoch müssen erblich vorbelastete Eltern weiterhin auf die Möglichkeit für Gentests an Embryonen warten. In Nordrhein-Westfalen und den meisten anderen Bundesländern fehlen bislang die Voraussetzungen zur Anwendung der PID. Zwar hat in NRW das Kabinett den Entwurf von Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) Ende 2013 gebilligt, doch werden derzeit noch die Stellungnahmen der Fachleute ausgewertet, erklärt ein Sprecher des Ministeriums. Der Landtag werde sich voraussichtlich erst Anfang März mit dem Gesetz befassen. Und dann könne es noch „eine ganze Weile dauern“, bis die ersten Paare Anträge stellen können.
Es ist bisher nicht einmal klar, wer die Tests durchführen wird. Denn nur zugelassene PID-Zentren dürfen die Genchecks vornehmen. Und über jeden Einzelfall muss eine Ethikkommission entscheiden, die es in NRW auch noch nicht gibt. Klar ist nur: Die Zulassungsbehörde für die PID-Zentren soll bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe errichtet werden; die Ethikkommission soll bei der Ärztekammer Nordrhein angesiedelt werden. Bis die PID-Zentren ihre Arbeit aufnehmen werden, dürften daher noch einige Monate ins Land gehen. Damit sind Gentests an Embryonen auf rechtlich sicherer Grundlage in NRW zunächst nicht möglich. Betroffene Paare werden daher vorerst weiterhin Hilfe im Ausland suchen müssen.
Undurchsichtige Entscheidungen
Nach dem Gesetz sind Gentests an Embryonen bei künstlichen Befruchtungen nur erlaubt, wenn es ein hohes Risiko für schwere Erbkrankheiten des Kindes gibt oder die Gefahr einer Tot- oder Fehlgeburt besteht. Kritiker bemängeln, dass diese Kriterien für die Entscheidung, welcher Embryo lebenswert ist und welcher nicht, zu vage und undurchsichtig sind. „Was die Ethikkommissionen genau darunter verstehen, wird nicht gemeldet und nicht erfasst“, sagt der CDU-Politiker Hubert Hüppe. Das Gesetz sei „handwerklich richtig schlecht gemacht“.
Auch das „Genethische Netzwerk“ (GeN) findet es „nicht hinnehmbar“, dass die Entscheidungen im Verborgenen fallen sollen, heißt es in einem kritischen Brief an die Landtage. Befürchtet wird eine auf Dauer laxere Handhabung der PID. Hüppe verweist auf das Beispiel Großbritannien. Die Liste der Veranlagungen, die ein Aussortieren von Embryonen rechtfertigen, wachse stetig – derzeit sind es 281. Vor der Aufstellung einer solchen „Selektionsliste“ schreckte der deutsche Gesetzgeber zurück.