Kiew. . Unmittelbar vor einem Krisentreffen in Kiew hat der ukrainische Präsident Janukowitsch die Opposition zur Kompromissbereitschaft aufgefordert: Die Regierungsgegner um Vitali Klitschko müssten eine konstruktive Position einnehmen. Doch radikale Demonstranten rüsten sich für neue Straßenschlachten.

Nach einer ruhigen Nacht rief Oppositionsführer Vitali Klitschko in Kiew einen einseitigen Waffenstillstand aus. Demonstranten löschten darauf die zuvor in Brand gesetzten Autoreifen zum Teil wieder. Auf beiden Seiten der Barrikaden blieb es über den Tag hinweg still.

In der Nacht zum Donnerstag hatten allerdings von der Regierung bezahlte Schlägertypen, sogenannte Tituschkis, Jagd auf motorisierte Patrouillen des oppositionellen „Auto-Majdans“ gemacht. Mehrere Autos wurden demoliert und deren Fahrer verprügelt, einige auch verschleppt.

Ein Riss geht durch das Land

Am Morgen bestätigte sich auch die Nachricht von einer in einem Waldstück beim Flughafen Borispol gefundenen Leiche. Auch sie wies wie der Majdan-Aktivist Wierbitski Folterspuren auf. Die von der Opposition genannte Zahl der Todesopfer stieg somit auf sieben. Die Behörden reden bisher nur von drei Toten.

Ein Riss geht durch das Land: Gewaltbereite Ultranationalisten aus dem Westen der Ukraine, wo antirussische Ressentiments eine lange Tradition haben, heizen die Lage immer wieder an. Mit Brandsätzen und Knüppeln gehen sie gegen die Milizen vor. Klitschko weiß, dass diese Gruppe nicht zu bremsen ist. Der Osten und Süden mit seiner russischsprachigen Bevölkerung steht dagegen auf Seiten des Staatspräsidenten. Sie fordern von Viktor Janukowitsch ein hartes Vorgehen gegen die Randalierer.

Krisensitzung verabredet

Mit dem Parlamentspräsidenten Mykola Rybak von seiner regierenden „Partei der Regionen“ verständigte sich Janukowitsch auf eine Dringlichkeitssitzung des Parlaments in der nächsten Woche. Mit der Opposition sollen dort Wege gesucht werden, die anti-demokratischen „Knebel-Gesetze“ zu widerrufen und die Regierung Mykola Asarow auszuwechseln. Beide Forderungen waren beim ersten Treffen mit Janukowitsch von den drei Oppositionsführern Klitschko (Udar), Arsenij Jatsenjuk (Vaterlandspartei) und Oleg Tjagnibok (Freiheitspartei) erhoben worden.

Allerdings ist völlig offen, ob Janukowitschs Parlamentsmehrheit der Opposition wirklich entgegenkommen will. Auf die Forderung nach seinem eigenen Rücktritt und Neuwahlen ging Janukowitsch nicht ein. Für Donnerstagabend war ein zweites Treffen zwischen Janukowitsch und der Opposition geplant.

Druck aus Moskau

Dass der Staatspräsident den Forderungen der Opposition gänzlich nachkommt, gilt als ausgeschlossen. Er müsste mit Gefängnis rechnen, falls er die Macht verliert. Die blutigen Unruhen in Kiew machen dies alles nur noch schlimmer. Druck kommt auch aus Moskau. Ein enger Mitarbeiter Putins ließ verlauten, die Auszahlung der nächsten Tranche des russischen Kredits hänge von der Stabilität der Ukraine ab. Janukowitsch wird sich alle Mühe geben, diese im Sinne Moskaus wiederherzustellen.

In Kiew errichteten die Demonstranten derweil neue Barrikaden. „Morgen gehen wir vorwärts. Wenn es eine Kugel in den Kopf gibt, dann gibt es eben eine Kugel in den Kopf“, wiegelte Jatsenjuk die Menge auf.