Washington..
Die aus der Warte von Angela Merkel und ihresgleichen erfreuliche Nachricht hatten die Redenschreiber von Barack Obama prominent platziert. An der Stelle, als es um das Wirken der US-Geheimdienste im Ausland ging. Und um die Frage, wie man nach dem Skandal um die National Security Agency (NSA) den Interessen von Partnern gerecht werden könnte. „Die Führer unserer engen Freunde und Verbündeten sollen wissen“, sagte der Präsident gestern Mittag im Justizministerium von Washington, „dass ich zum Telefonhörer greife und sie anrufe, wenn ich wissen will, was sie über einen Sachverhalt denken, anstatt mich auf die geheimdienstliche Überwachung zu verlassen.“
In „triftigen Fällen von nationaler Sicherheit“ wird weiter gelauscht
Was nicht mit einem Verzicht auf die Arbeit der Lauscher gleichgesetzt werden darf. In „triftigen Fällen von nationaler Sicherheit“, so muss man zwingend aus Obamas Worten schließen, wird das Weiße Haus auch künftig heimlich ergründen lassen, was Staatschef X und Präsident Y im Schilde führen. Zur Dimension: Obamas Sicherheitsberater Ben Rhodes sagte vor der live im Fernsehen übertragenen Ansprache gegenüber Journalisten, dass „Dutzende ausländische Staats- und Regierungschefs“ nicht mehr geheimdienstlich behelligt werden. Namen und Länder? Kein Kommentar.
Dass ein offizielles Mea culpa von Obama für die weltweit mit Entrüstung vernommene Spionage in anderer Länder Schaltzentralen ausblieb – „wir entschuldigen uns nicht dafür, dass unsere Dienste vielleicht besser sind“ –, war programmatisch für den seit Wochen erwarteten Auftritt. Obama holt in einem weiten historischen Bogen aus, markierte die Arbeit der Geheimdienste als staatstragenden Beitrag zur Sicherheit der Vereinigten Staaten und stellte ohne Beweisführung fest, dass insbesondere das Tun der NSA „diverse Anschläge verhindert und unschuldiges Leben bewahrt hat – nicht nur in Amerika, sondern auf der ganzen Welt“. Eine Aussage, die von etlichen Senatoren in Washington und Anti-Terrorexperten in Abrede gestellt wird. So einer Organisation die Flügel zu stutzen, ihren Geschäftszweck zur Disposition zu stellen, das kommt für Obama nicht infrage. Zumal sämtliche Überprüfungen der letzten Wochen gezeigt hätten, dass die 35 000-köpfige Belegschaft der NSA nirgends ihre Kompetenzen „mutwillig missbraucht hat“. Präsidiales Fazit: „Wir können unsere Geheimdienste nicht einseitig entwaffnen.“
Gleichwohl listete Obama eine Reihe von Korrekturen an den bestehenden Spähprogrammen und ihrer Handhabung auf, die das Vertrauen in seine Regierung national und international wieder herstellen und die Balance zwischen Privatsphäre und Sicherheitsbelangen neu justieren sollen. Obamas Vorbemerkung hier ist wichtig: Die NSA wird unverändert in großem Stil Daten aus den Telefon- und Internetnetzen ziehen dürfen. Ab dann wird‘s neu.
Bisher entschieden die Profiler der NSA allein, wann sie in den gewaltigen Heuhaufen der für fünf Jahre gespeicherten Meta-Daten (wer hat wann mit wem telefoniert) eintauchen, um die Stecknadel eines Terrorverdachts zu finden. Künftig soll im Einzelfall nur nach Zustimmung der für die Geheimdienst-Arbeit eingerichteten FISC-Sondergerichte der Zugriff auf die Daten möglich sein. Mit einer wie auch immer gearteten Reform oder Privatisierung der NSA-Datenspeicherung wird, „wenn überhaupt, dann nicht vor 2015“ gerechnet, kommentieren NSA-Beobachter in Fachforen.