Essen. . Der Streit um die rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“ wird immer heftiger. Mediziner und Apotheker beurteilen die Wirksamkeit völlig unterschiedlich. Die katholische Kirche fürchtet um den Schutz des Lebens.

Ausgerechnet die Frauenärzte in Deutschland lehnen die rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“ ab. Sie halten den Wirkstoff Levonorgestrel für nicht wirksam genug und befürchten sogar eine höhere Zahl von Abtreibungen. Am Mittwoch hatten Experten dem Bundesgesundheitsminister empfohlen, Levonorgestrel freizugeben.

Doppelt so wirksam sei hingegen der modernere Wirkstoff Ulipristal, der seit 2010 auf dem Markt ist. Seine Freigabe steht aber nicht an. Er könne bis zu fünf Tage nach dem Geschlechtsverkehr 60 Prozent der möglichen Schwangerschaften verhindern, bei Levonorgestrel gilt eine Drei-Tages-Frist und der 30-prozentige Schutz, sagte Susanne Kramarz, vom Berufsverband der Frauenärzte, der WAZ. „Bei Frauenärzten ist Ulipristal das Mittel der Wahl“. Aufgrund des dichten Netzes an niedergelassenen Gynäkologen, Notfallpraxen und Kliniken sei es auch im Notfall leicht, ein Rezept zu bekommen. Die Beratung durch einen Arzt verhindere auch, dass die „Pille danach“ unnötig eingenommen werde.

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Von Matthias Korfmann und Birgitta Stauber-Klein

„Wir wollen, dass Frauen selbst entscheiden“

Die Apotheker widersprechen. Erst die Freigabe könne im Notfall ungewollte Schwangerschaften verhindern. „Es gibt immer eine Apotheke in der Nähe, wo auch nachts um zwei Beratung gewährleistet ist“, sagte Ursula Sellerberg von der Bundesvereinigung deutscher Apothekenverbände. Die Kritik am Wirkstoff Levonorgestrel könne sie nicht nachvollziehen. „Er ist bewährt und schützt zuverlässig vor Schwangerschaften“. Obendrein gebe es nicht mehr Nebenwirkungen als beim gängigen Schmerzmittel Ibuprofen.

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Auch die Sexualberatung Pro Familia hält an der Forderung fest, Levonorgestrel rezeptfrei zu verkaufen. „Ärzte wollen partout, dass Frauen in ihre Praxen kommen“, sagte Pro-Familia-Sprecherin Regine Wlassitschau. „Wir wollen aber, dass Frauen selbst entscheiden“.

Leichtfertiger Umgang mit dem Medikament befürchtet

Gerda Kieninger, frauenpolitische Sprecherin SPD-Landtagsfraktion, glaubt ebenfalls, die Freigabe der „Pille danach“ stärke das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Sie sagte: „Ich begrüße die Freigabe der Pille danach sehr. Besonders wichtig ist das für die Frauen im ländlichen Raum, weil die Arztpraxen nicht so schnell erreichbar sind, die Apotheken aber wegen der Notdienste immer zur Verfügung stehen. Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen wird eindeutig gestärkt. Frau geht damit sehr sorgfältig um.“

Der CDU-Landtagsabgeordnete Peter Preuß befürchtet hingegen einen „leichtfertigen“ Umgang mit dem Medikament, wenn es ohne ärztlichen Rat abgegeben werden sollte. Nur Mediziner könnten gut über mögliche Nebenwirkungen aufklären. „Diese Einschätzung ist Expertensache“, sagte Preuß.

NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) konterte: „Wer die Rezeptfreiheit für die ,Pille danach‘ mit der Begründung ablehnt, es handele sich um ein Medikament mit Risiken und Nebenwirkungen, muss sich konsequenterweise dafür einsetzen, dass eine Reihe frei verkäuflicher Medikamente wie starke Schmerzmittel rezeptpflichtig werden.“