Vor 50 Jahren starb Pius XII. Ihm wird vorgeworfen, zum Holocaust geschwiegen zu haben.Benedikt XVI. würdigt Vorgänger: Seine Interventionen waren geheim und still.

Rom. Er war der umstrittenste Papst des letzten Jahrhunderts. Als "Hitlers Papst" und "Nazi-Komplize" wurde und wird Pius XII. (1939 bis 1958) beschimpft. Heute ist sein 50. Todestag. Und noch immer streiten Historiker und Kirchenkenner über sein offizielles Schweigen zum Holocaust - wenn auch dokumentiert ist, dass er heimlich viele Juden rettete. "Ein Stellvertreter Christi, der das vor Augen hat und dennoch schweigt, ein solcher Papst ist ein Verbrecher", so ließ der deutsche Autor Rolf Hochhuth die Hauptfigur in seinem Theaterstück "Der Stellvertreter" sagen. Das war 1963 und seitdem ist die Grabesruhe des gebürtigen Römers gestört.

Hat sich Pius XII. schuldig gemacht oder hatte seine Haltung fundierte Gründe? Bis heute wird darüber diskutiert, ohne recht weiterzukommen. Archivdokumente in Berlin und anderswo gingen in den Kriegswirren verloren. Das Vatikanarchiv aus jenen kritischen Jahren, erst bis 1939 komplett aufgearbeitet, braucht wegen einiger Organisationsschwierigkeiten noch viel Zeit zur weiteren Erschließung. Und so kommt es, dass auch der 50. Todestag von Pius XII. im Zeichen des Widerspruchs steht.

Papst Benedikt XVI. hält an diesem Donnerstag ein Pontifikalamt zu Ehren seines umstrittenen Vorgängers. Betrachte man Pius "frei von ideologischen Vorurteilen", werde sein edler spiritueller und menschlicher Charakter sichtbar", so seine Würdigung. Zum Schweigen Pius' XII. meinte er: "Seine Interventionen waren geheim und still, weil es in der gegebenen Situation des schwierigen historischen Momentes nur so möglich war, das Schlimmste zu verhindern und die größtmögliche Zahl von Juden zu retten." Das zweifelte ein geladener Gast an, der dieser Tage als erster Jude auf der in Rom tagenden Weltbischofssynode sprechen durfte. "Ratzinger feiert Pius XII.? Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich nicht zur Synode gekommen", so Shear Yesuv Cohen, Oberrabbiner von Haifa/Israel in Rom. Pius XII. dürfe nicht vergeben werden, davon ist Cohen überzeugt.

Im September hingegen hatten amerikanische Juden der Stiftung "Pave the Way" den umstrittenen Papst geradezu mit Dankesbezeugungen für seinen Rettereinsatz in den Himmel gehoben.

Eine Fotoausstellung ab 21. Oktober hinter dem Petersplatz in Rom wird das Leben und Werk des Verstorbenen von der Kindheit an illustrieren und auch bisher unbekannte Dokumente zeigen. "Das Vermächtnis des Lehramtes von Pius XII." heißt zudem ein internationaler Kongress im November in päpstlichen Universitäten.

Auf dem Büchermarkt gibt es eine Flut an neuen Werken über den umstrittenen Papst. Der deutsche Schriftsteller und Journalist Hanspeter Oschwald bemüht sich in "Pius XII. - Der letzte Stellvertreter" (Gütersloher Verlagshaus, 288 S., Euro 19,90), Pius XII. gerecht zu werden. Oschwald suchte dazu auch Experten wie den Jesuiten Pater Peter Gumpel (84) auf, der ein 3500 Seiten langes Dossier für die Seligsprechungs-Kongregation über den Papst in Jahrzehnten vorbereitet hat und der größte Verteidiger des Papstes ist.

Er zitiert auch aus Zeitungen der Zeit, die das genaue Gegenteil der Hochhuth-These schrieben. So lobte noch 1942 die New York Times Pius XII. für eine Ansprache am 25. Dezember über die NS-Machenschaften: "In dieser Weihnacht ist er mehr denn je die einsam aufbegehrende Stimme im Schweigen eines Kontinents."

Oschwald kommt zu dem Schluss, der Papst sei ein "idealer Sündenbock" geworden, in ihm ließ sich das Versagen einer ganzen Generation personifizieren. "Ob Pius anders hätte handeln können oder müssen, lässt sich diskutieren. Ob er damit mehr erreicht hätte, bleibt Spekulation", so Oschwald zu der Gegenthese in Kirchenkreisen, ein offener Protest des Papstes hätte generell die deutschen Katholiken zu Hitlerverfolgten gemacht.