Berlin/Düsseldorf. .

Deutschland steht nach Ansicht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes vor einer sozialen Zerreißprobe. Dem „Bericht zur regionalen Armutsentwicklung 2013“ zufolge, den der Verband gestern in Berlin vorlegte, nimmt trotz guter Konjunktur und sinkender Arbeitslosigkeit die Armut weiter zu. Ganze Regionen veröden und werden von reichen Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg abgehängt.

Auch wenn NRW seinen Platz neun im Mittelfeld halten konnte, befinden sich dort einzelne Regionen in einer ungebremsten Armutsentwicklung.

Die bundesweite Armutsquote liegt dem dritten Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtverbandes zufolge bei 15,2 Prozent und ist damit seit 2006 fast kontinuierlich gestiegen. Jeder siebte Haushalt muss als arm oder armutsgefährdet gelten. Die Ergebnisse beruhen auf dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes.

Reiche Bundesländerwie Baden-Württemberg

Eine Trendumkehr gibt es den Angaben zufolge nicht, obwohl die Arbeitslosigkeit deutlich gesunken ist und weiter abnimmt. Die Experten führen das auf die „Amerikanisierung des Arbeitsmarkts“ zurück mit einer Zunahme an unsicheren, schlecht bezahlten Jobs, die nicht zu ausreichenden Einkommen führen.

Als arm gilt in Deutschland, wer als Single weniger als 869 Euro im Monat zur Verfügung hat. Für ein Paar mit zwei Kindern liegt die Grenze bei 1.826 Euro. Das entspricht 60 Prozent des mittleren Einkommens, bezogen auf die Menschen, die davon leben müssen. Die Armutsschwelle wird EU-weit einheitlich berechnet, liegt aber in jedem Land woanders, da sie sich am allgemeinen Wohlstand orientiert.

Problemregion Nummer eins bleibe das Ruhrgebiet mit seinen fünf Millionen Einwohnern und verschuldeten Großstädten, heißt es in dem Bericht, wenn auch der Negativtrend in Nordrhein-Westfalen insgesamt gestoppt sei. Zum ersten Mal seit 2006 sei die Armut in dem bevölkerungsreichsten Bundesland im Vergleich zum Vorjahr nicht weiter gestiegen.

Der Stopp in der Armutsentwicklung ist dem Bericht zufolge vor allem auf sehr günstige Entwicklungen in den Regionen Aachen (minus 1,1 Prozentpunkte), Bielefeld (minus 0,9 Prozentpunkte und Paderborn (minus 2,1 Prozent) zurückzuführen. Zugleich nahm jedoch in der Region Bonn die Armutsquote um 0,8 Prozentpunkte auf 13,5 Prozent, in der Region Siegen um einen Prozentpunkt auf 15,2 Prozent zu.

Auch für das Ruhrgebiet könne keine Entwarnung gegeben werden, betonte der Bericht. Hier habe die Armutsquote im vergangenen Jahr überproportional um 0,3 Prozentpunkte zugenommen, und es zeige sich eine „völlig ungebremste Armutsentwicklung“.

Gravierender Anstieg in Duisburgund Dortmund

In der ohnehin abgeschlagenen Region Dortmund und in der Stadt Duisburg zogen die Armutsquoten dem Bericht zufolge auch im vergangenen Jahr gravierend an: von 2,2 Prozentpunkten auf 26,4 Prozent, beziehungsweise um 1,6 Prozentpunkte auf 25,1 Prozent.

Damit sei die Armutsquote in Dortmund seit 2005 um über 42 Prozent, in Duisburg sogar um 48 Prozent gestiegen. „Diese Entwicklung kommt angesichts des bereits sehr hohen Ausgangsniveaus einem armutspolitischen Erdrutsch gleich.