Kiew/Washington. . Das Vorgehen der ukrainischen Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten in Kiew wird international kritisiert. Die USA prüfen nun Strafmaßnahmen und warnen die Ukraine, das Militär gegen die Oppositionellen auf der Straße einzusetzen. Die Opposition in dem Land sieht sich im Aufwind.

US-Verteidigungsminister Chuck Hagel hat seinen ukrainischen Amtskollegen Pawlo Lebedjew davor gewarnt, "in irgendeiner Art" das Militär bei den Anti-Regierungs-Protesten in dem Land einzusetzen. Wie ein Sprecher Hagels in der Nacht auf Donnerstag mitteilte, machte der US-Minister bei einem Telefonat der Politiker deutlich, dass dies andernfalls zu Belastungen führen könnte. Lebedjew habe entgegnet, es sei Präsident Viktor Janukowitschs Absicht, die Streitkräfte nicht gegen die Demonstranten einzusetzen.

Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Regierungsgegner in der Hauptstadt Kiew hatte international Kritik hervorgerufen. Die seit drei Wochen andauernden Proteste in dem Land hatten sich an der Abkehr der Regierung von ihrem proeuropäischen Kurs entzündet.

Der amtierende Bundesaußenminister Guido Westerwelle rief alle Beteiligten auf, "auf jede Form der Gewalt zu verzichten." "Wir erwarten und verlangen auch von der Regierung und den Regierungsinstitutionen in der Ukraine, dass sie friedliche Demonstranten schützt und dass sie auch die Versammlungsfreiheit garantiert", sagte Westerwelle (FDP) am Mittwochabend in den ARD-"Tagesthemen".

Klitschko erwartet "Millionen Menschen auf der Straße"

Der ukrainische Oppositionspolitiker Vitali Klitschko rechnet in den kommenden Tagen mit noch größeren Protesten gegen Präsident Viktor Janukowitsch und dessen Russland-Annäherung. "Ich erwarte in den nächsten Tagen Millionen Menschen auf der Straße, mehr als je zuvor", schrieb Klitschko in einem Beitrag für die "Bild"-Zeitung am Donnerstag. Die Demonstrationen könnten das Ausmaß der Orangen Revolution vor neun Jahren übertreffen. Zugleich kritisierte der Profiboxer die Regierung in Kiew und bezeichnete Janukowitsch als Marionette des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Im Machtkampf um die politische Zukunft der Ukraine hatte Janukowitsch der Opposition zuvor Gesprächsbereitschaft angedeutet. Nach Treffen mit Vertretern der USA und der Europäischen Union lud das Staatsoberhaupt am Mittwoch alle Parteien zu Verhandlungen ein, um einen Kompromiss zu finden. Angesichts der wiederholten Gewalt gegen Demonstranten lehnte es Klitschko aber umgehend ab, sich mit Janukowitsch an einen Tisch zu setzen. Wer in der Opposition dazu bereit sein könnte, blieb zunächst offen.

Die Opposition fordert Janukowitschs Rücktritt sowie vorgezogene Parlaments- und Präsidentenwahlen. Die seit drei Wochen andauernden Proteste in dem krisengeschüttelten Land hatten sich an der Abkehr der Regierung von ihrem proeuropäischen Kurs entzündet. Regierungschef Nikolai Asarow forderte inzwischen 20 Milliarden Euro Finanzhilfe von der EU für den Abschluss des Assoziierungsabkommens. Klitschko bezeichnete dies als Ablenkungsmanöver.

Demonstranten in Kiew verstärken die Barrikaden

In der Nacht auf Mittwoch hatte die Bereitschaftspolizei Straßen in der Nähe eines Protestlagers in Kiew geräumt, Zelte dem Erdboden gleichgemacht und sich Auseinandersetzungen mit Regierungsgegnern geliefert. Auf dem Unabhängigkeitsplatz forderten Demonstranten von der Polizei einen Gewaltverzicht.

Nach dem vorläufigen Rückzug der ukrainischen Sicherheitskräfte vom Unabhängigkeitsplatz in Kiew haben die pro-westlichen Demonstranten ihre Barrikaden weiter verstärkt. Damit wollen sich die Gegner von Präsident Viktor Janukowitsch gegen einen möglichen neuen Räumungsversuch von Spezialeinheiten wappnen. Aus dem ganzen Land seien weitere Demonstranten mit Dutzenden Bussen und Privatautos in der Hauptstadt eingetroffen, berichteten örtliche Medien am Donnerstag.

Die Regierungsgegner fordern seit Wochen Janukowitschs Rücktritt und einen Westkurs der früheren Sowjetrepublik. In der Nacht hatten erneut Hunderte Menschen bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt auf dem Platz ausgeharrt. Bekannte Popstars gaben auf einer Bühne ein Konzert. Priester sprachen öffentlich Gebete und sangen mit der Menge stündlich die Nationalhymne. (dpa/rtr)