Moskau/Kiew. . Der Umgang mit der Ukraine wird immer mehr zu einer Belastungsprobe für die deutsch-russischen Beziehungen. Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew kritisierte am Freitag scharf das Treffen von Bundesaußenminister Guido Westerwelle mit Demonstranten in Kiew.

Die Ukraine wird immer mehr zu einer Belastungsprobe für die deutsch-russischen Beziehungen. Ministerpräsident Dmitri Medwedew kritisierte Bundesaußenminister Guido Westerwelle am Freitag scharf für dessen jüngstes Treffen mit Demonstranten in Kiew, die seit Tagen eine Annäherung an die Europäische Union fordern.

Das Verhalten des Ministers könne nur als Einmischung in innere Angelegenheiten bezeichnet werden. Zugleich besprach Präsident Wladimir Putin mit seinem ukrainischen Kollegen Viktor Janukowitsch im russischen Olympia-Austragungsort Sotschi ein Abkommen über eine strategische Partnerschaft, wie das Präsidialamt in Kiew mitteilte.

Die inhaftierte Oppositionsführerin Julia Timoschenko beendete derweil laut einem Medienbericht nach zwölf Tagen ihren Hungerstreit. Die ehemalige Ministerpräsidentin folge damit Aufrufen der Demonstranten, die auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew ausharrten, zitierte die russische Nachrichtenagentur Interfax Timoschenkos Tochter Jewgenia. Die Gallionsfigur der Orangen Revolution sitzt seit 2011 wegen Amtsmissbrauchs im Gefängnis. Sie war aus Solidarität mit den Demonstranten in einen Hungerstreik getreten. Diese protestieren gegen Janukowitsch überraschende Entscheidung, doch nicht einem Assoziierungsabkommen mit der EU beizutreten.

Russland nimmt Westerwelle Kiew-Reise übel

Der Kehrtwende vorausgegangen war erheblicher Druck aus Russland, das der wichtigste Handelspartner der wirtschaftlich angeschlagenen Ukraine ist. Westerwelle hatte dies am Donnerstag in Kiew während einer Veranstaltung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) indirekt kritisiert und zugleich sich besorgt geäußert über das zum Teil gewaltsame Vorgehen der ukrainischen Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten. Zuvor war er mit Oppositionspolitikern wie dem Boxweltmeister Witali Klitschko auf dem Unabhängigkeitsplatz zusammengekommen.

Medwedew sagte, es sei zwar kein Problem, wenn sich ausländische Politiker mit Oppositionsführern träfen. Er frage sich aber, "wie unsere deutschen Partner sich fühlen würden, wenn der russische Außenminister sich zu einem Mob begibt, der sich im Widerspruch zu deutschem Recht (versammelt)", fügte er hinzu. "Ich denke nicht, dass sie das als eine freundliche oder korrekte Geste bewerten würden."

Opposition in der Ukraine ruft zu weiteren Demonstrationen am Sonntag auf

Die Bundesregierung wies die Vorwürfe umgehend zurück. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte, aus Sicht des Ministers sei dies keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine. Es sei vielmehr "ein Besuch eines Europäers bei Europäern" gewesen. Rückendeckung bekam Westerwelle von Kanzlerin Angela Merkel.

Ihr Sprecher Steffen Seibert sagte, die Bundeskanzlerin und ihr scheidender Außenminister seien sich "völlig einig in der Überzeugung, dass dort Hunderttausende Demonstranten ein sehr starkes Signal europäischer Gesinnung und europäischer Werte geben". Westerwelles Besuch bei Demonstranten entspreche "der guten Tradition der deutschen Außenpolitik", natürlich mit Regierungen zu sprechen, aber immer wieder auch mit Vertretern der Opposition.

Auch am Freitag hielten Regierungsgegner das Rathaus in Kiew trotz Warnung der Behörden besetzt. Mehrere Hundert Demonstranten versammelten sich erneut auf dem Unabhängigkeitsplatz. Die Oppositionsführer riefen für Sonntag zu einer weiteren Massendemonstration auf.

Janukowitsch dürfte dann wieder im Land sein, nachdem er sich am Donnerstag zunächst in Peking um wirtschaftliche Unterstützung bemühte und am Freitag auf der Rückreise einen Stopp in Russland einlegte. In China unterzeichnete er eine Reihe von Dokumenten zur Erweiterung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die nach seinen Angaben auf Investitionen im Volumen von etwa acht Milliarden Dollar hinauslaufen könnten. Was konkret er in Russland erreichte, war zunächst nicht klar. Die ehemalige Sowjet-Republik muss sich für kommendes Jahr über 17 Milliarden Dollar beschaffen, um Gasrechnung in Russland sowie andere Verpflichtungen zu begleichen. (rtr)