Berlin/Düsseldorf. .

Das „Winter-Benefiz“ steht an. Per Internet mobilisieren die Salafisten seit Tagen für ein Treffen morgen „im Raum Köln/Bonn“. Der genaue Ort wird kurzfristig verraten. Die Islamisten wissen: Polizei und Verfassungsschutz lesen mit. Die Salafisten wollen schließlich das politische System verändern. „Einige sind bereit, hierfür auch Gewalt anzuwenden“, warnt Hans-Georg Maaßen, Präsident des Kölner Bundesamts für Verfassungsschutz. „Wir beobachten teilweise sehr schnelle Radikalisierungsverläufe.“

Ungebrochen ist der Zustrom von deutschen Islamisten nach Syrien, nach einem Geheimbericht des Verfassungsschutzes: Rund 200 Kämpfer, indes nicht nur Salafisten. Die Hälfte davon kommt nach Angaben des Düsseldorfer Innenministers Ralf Jäger (SPD) aus NRW. Werden die kampferprobten Heimkehrer zu einer Gefahr? Sie dürften im Umgang mit Waffen und Sprengstoff geschult sein, vermutet Jäger. Als Kämpfer würden sie hohes Ansehen in salafistischen Kreisen genießen und könnten zur weiteren Radikalisierung der hiesigen Szene beitragen, befürchtet der Minister.

Die Aktionen ändern sich,die Akteure bleiben gleich

Für Syrien wird beim „Winter-Benefiz“ gesammelt. Die Not, das Leid der Sunniten emotionalisiert. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren: Muslime, die Kleider, Lebensmittel oder Medizin bereitstellen sollen, und Imame, die den Dschihad predigen. Aber Fakt ist: Nachdem die Behörden einige Salafisten-Vereine verboten haben, stellt sich die Szene um. Es wird seltener zu Islam-Seminaren eingeladen, umso mehr zu Benefiz-Veranstaltungen. Klingt unverfänglich. Der Name ändert sich – die Akteure nicht. Für die Benefiz-Veranstaltung am Sonntag hat sich zum Beispiel Ibrahim Abou Nagie angesagt, Star der Predigerszene und Initiator der Koran-Verschenk-Aktion „Lies“. Die läuft weiter, auch oder gerade seit das Medieninteresse nachlässt.

Zuletzt war der Mann aus anderen Gründen in die Schlagzeilen geraten. Die Staatsanwaltschaft Köln hat gegen den Internet-Imam Anklage wegen Sozialhilfebetrugs erhoben. Er soll zu Unrecht knapp 54 000 Euro an Hartz-IV-Bezügen kassiert haben. Es ist nach der Beobachtung der Polizei kein Einzelfall. Die Gewerkschaft der Polizei zählt in ihrem Mitglieder-Magazin weitere Verdachtsfälle auf. Sie seien nach dem Verständnis der Salafisten auch konsequent: „Diese wollen Bescheidenheit und Demut nach dem Vorbild des Propheten Mohammed demonstrieren. Also leben sie am Existenzminimum“, schreibt das Magazin. Dafür kommen die deutschen Steuerzahler auf, und den Salafisten bleibe dann „mehr Zeit zur Verfügung, um mehrmals am Tag religiöse Praktiken zu vollführen“.

Der Begriff kommt vom arabischen Salafiya, was Ahnen oder Vorfahren heißt. Salafisten berufen sich darauf, den Koran streng zu befolgen. Sie wollen missionieren. „Das bereitet mir Sorgen“, räumt Verfassungsschützer Maaßen unumwunden ein. Die Bewegung ziehe besonders junge Menschen an, „die auf die Propagandaaktivitäten hereinfallen“. Junge Migranten, aber auch deutsche Konvertiten fühlten sich zur Szene hingezogen, weil sie eine klare, aber radikale Orientierung böte, ergänzt Jäger.

Wer sich für den Islam interessiert, stoße im Netz unweigerlich auf die Salafisten, analysiert der Islamwissenschaftler Jochen Müller. Was sie predigen, ist ansprechend, gerade wenn man Orientierung und Halt sucht: eine Gemeinschaft, klare Regeln, schwarz und weiß, haram und halal (verboten und gestattet), für uns, gegen uns.

Zuletzt erregten Fälle in Hessen und in Bochum Aufsehen, wo Salafisten Kinder ansprachen, gar in Schulen aktiv wurden. Mit wachsendem Erfolg: 2011 wurde ihre Zahl auf 3800 geschätzt, 2012 schon auf 4500, inzwischen sind es bundesweit 5500.

Ging der Verfassungsschutz NRW 2012 noch von etwa 1000 Anhängern salafistischer Bestrebungen aus, so sind aktuell 1500 Personen bekannt, die dem Spektrum zugezählt werden.