München. CSU und SPD wollen Volksabstimmungen auf Bundesebene zulassen. Die Bürger sollen vor allem bei strittigen EU-Themen mitreden dürfen. Doch in der CDU regt sich bereits Widerstand.

Die CDU hat einen Vorstoß der Chef-Innenpolitiker von CSU und SPD zu Volksabstimmungen über EU-Themen zurückgewiesen. "Die repräsentative Demokratie hat sich in Deutschland bewährt", sagte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Günther Krings am Dienstag zu Reuters. "Das gilt auch gerade für die Entscheidungen zu Europa, und dabei wollen wir bleiben."

Er reagierte damit auf einen von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Thomas Oppermann (SPD) vorgelegtes Papier, das Volksabstimmungen vorsieht, wenn es um EU-Beitritte, finanzielle Leistungen Deutschlands oder Kompetenzübertragungen auf die EU-Ebene geht.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel habe die Idee von Volksabstimmungen etwa über EU-Beitritte in einer unionsinternen Besprechung am Dienstag abgelehnt, erfuhr Reuters aus Teilnehmerkreisen. Krings betonte, es habe auch in der von Friedrich und Oppermann geführten Koalitionsarbeitsgruppe Innen und Recht keine Einigung auf die Einführung von plebiszitären Elementen gegeben. Mit Kritik reagierte auch der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach: Unter den Unterhändlern der CDU habe von Anfang an Einigkeit darüber bestanden, in dieser Frage am bisherigen Kurs festzuhalten, sagte er dem "Tagesspiegel".

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Friedrich und Oppermann wollen in bestimmten Fällen Volksabstimmungen auf Bundesebene ermöglichen - etwa zu wichtigen europarechtlichen Fragen, aber auch zu beschlossenen Gesetzen. Das geht aus einer Formulierung hervor, die Friedrich und Oppermann am Mittwoch der großen Runde der Koalitionsverhandlungen präsentieren wollen. ´

CDU beim Thema direkte Demokratie skeptisch

Bislang sind Volksabstimmungen auf Bundesebene im Gesetz nicht vorgesehen. Die SPD hatte im Wahlkampf für die Einführung solcher Mitsprachemöglichkeiten geworben. Angesichts der Skepsis in der Union plädierten die Sozialdemokraten in den Koalitionsverhandlungen schließlich für einen "behutsamen Einstieg". Einig wurden sich beide Seiten jetzt allerdings nicht: Die CSU zeigte zwar Sympathien für mehr direkte Demokratie, vor allem bei Europa-Fragen. Die CDU blieb aber skeptisch. Die Arbeitsgruppe überwies den Streitpunkt deshalb an die große Verhandlungsrunde, die an diesem Mittwoch über die Themen Innen und Recht berät.

In dem Kompromissvorschlag von Friedrich und Oppermann heißt es, die Bürger sollten auch zwischen den Wahlen die Möglichkeit bekommen, auf Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Plädiert wird zum einen für ein Referendum über beschlossene Gesetze. "Wenn eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages dies beschließt, wird ein von ihm verabschiedetes Gesetz dem Volk zur Abstimmung vorgelegt."

Volk soll bei EU-Entscheidungen "von besonderer Tragweite" mitreden

Die Bürger könnten den Plänen nach aber auch von sich aus eine Abstimmung über ein bestimmtes Gesetz einfordern, sobald dies den Bundestag passiert hat. Die Voraussetzung dafür: Die Initiatoren müssen innerhalb von sechs Monaten nach dem Gesetzesbeschluss eine Million Unterschriften sammeln. Ein Referendum hätte dann Erfolg, wenn die Mehrheit der Abstimmenden zustimmen würde.

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Als zweite Möglichkeit werben Friedrich und Oppermann dafür, das Volk bei "europapolitischen Entscheidungen von besonderer Tragweite" direkt zu befragen. "Das gilt insbesondere für die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten, wenn wichtige Kompetenzen nach Brüssel abwandern sollen oder wenn es um finanzielle Leistungen Deutschlands auf EU-Ebene geht", heißt es in der Passage, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.

Der Verein Mehr Demokratie begrüßte den Vorstoß der beiden Chefunterhändler. "Mit dieser Einigung wäre endlich ein Einstieg in die direkte Demokratie auf Bundesebene möglich", sagte Vorstandssprecher Ralf-Uwe Beck. "Die große Koalition würde damit Demokratiegeschichte schreiben." Der Verein plädierte dafür, den Bürgern außerdem zu erlauben, eigene Gesetzesvorlagen einzubringen. (dpa/rtr)