Hannover. . Knapp zwei Jahre nachdem der damalige Bundespräsident Christian Wulff durch Medienberichte wegen des Verdachts der Vorteilsnahme unter Beschuss kam, startet nun der Prozess gegen den CDU-Politiker. Ab diesem Donnerstag muss sich Wulff vor dem Landgericht Hannover verantworten.

Ein ehemaliger Bundespräsident vor Gericht: An diesem Donnerstag - knapp zwei Jahre nachdem die ersten Medienberichte ihn ins Zwielicht brachten - beginnt vor dem Landgericht Hannover der Prozess gegen den früheren Bundespräsidenten und ehemaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Christian Wulff. „Herr Wulff hat sich entschlossen zu kämpfen“, hatten Wulffs Verteidiger bekräftigt, als das Landgericht die Anklage zuließ. Wulff, der nach der Trennung von Noch-Ehefrau Bettina allein in Hannover in unmittelbarer Nähe von Altkanzler Gerhard Schröder wohnt, setzt auf Freispruch. „Da ist nichts“, soll Wulff Vertrauten zu den Vorwürfen versichert haben.

Der Vorwurf

Angeklagt ist Wulff der Vorteilsannahme. Es geht um einen Besuch der Wulffs beim Oktoberfest 2008 in München – mit allem was dazugehört: edle Zimmerflucht im „Bayerischen Hof“ und Babysitter-Service, Champagner-Sause mit einer Promi-Gruppe für 3200 Euro im „Käfer“-Festzelt und Restaurantbesuch. Die Kosten soll teilweise der Filmunternehmer David Groenewold getragen haben, der wiederum in Niedersachsen Geschäftsinteressen hatte. Groenewold feierte in München ebenso mit wie „Tatort“-Kommissarin Maria Furtwängler. Später schrieb Wulff einen Brief an den Siemens-Vorstandschef, um sich für ein Groenewold-Projekt einzusetzen. In dem Film geht es um einen hohen Siemens-Mitarbeiter, der im Zweiten Weltkrieg in China viele Menschen rettete.

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Eine schöne, edle Sache. Doch die Staatsanwaltschaft schreibt: „Konkrete Erkenntnisse liegen darüber vor, dass der Angeschuldigte Groenewold einen Tag nach dem „Oktoberfestbesuch“ den Angeschuldigten Wulff schriftlich gebeten hat, sich bei dem Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG, Herrn Peter Löscher, für eine Unterstützung einzusetzen.“ Wulff soll „in Kenntnis und mit Billigung der Kostenübernahme“ beim Oktoberfest-Besuch dieser Bitte nachgekommen zu sein. Die Staatsanwaltschaft geht von 510 Euro Hotel- und Kinderbetreuungskosten sowie 209,40 Euro für Abendessen aus. Dazu kommt anteilig der Festzeltbesuch.

Der Prozess

45 Zeugen sollen in Sachen Wulff aussagen, mitangeklagt ist auch Groenewold. 22 Verhandlungstage sind angesetzt, bis in den April 2014 könnte sich das Verfahren ziehen. Als Zeugen gehört werden sollen unter anderem die ehemalige „First Lady“ Bettina Wulff, Maria Furtwängler und Ehemann Hubert Burda, ehemalige Leibwächter, Beamte aus dem Regierungsapparat in Niedersachsen sowie Hotelpersonal. Angeklagt ist zwar nur die München-Episode. Das Gericht hat in seinem sogenannten Eröffnungsbeschluss aber über die Jahre eine „Vielzahl dienstlicher beziehungsweise geschäftlicher Berührungspunkte“ zwischen Wulff und Groenewold ausgemacht.

Dabei geht es unter anderem um Fördermittel für mit Groenewold verbundene Firmen und eine (nicht in Anspruch genommene) Landesbürgschaft.

Das juristische Tauziehen

Von 35 Vorgängen bleibt nur die Oktoberfest-Episode als Anklage übrig. Zwar gab es auch andere Reisen und Hotelaufenthalte Wulffs, die problematisch schienen, wie ebenfalls mit Groenewold auf Sylt. Dazu heißt es aber von der Staatsanwaltschaft: „Die von Christian Wulff und David Groenewold behaupteten Barzahlungen konnten nicht mit ausreichender Gewissheit widerlegt werden.“ Soll heißen: Wulff will Groenewold dessen Kostenübernahmen bar erstattet haben.

Ein Einstellen des Verfahrens gegen eine Geldbuße von 20.000 Euro lehnte Wulff ab und ließ alle Vorwürfe zurückweisen: Als niedersächsischer Ministerpräsident habe er sich stets für die Interessen von niedersächsischen Unternehmen eingesetzt und von Amts wegen einsetzen müssen, lautet ein Argument. Dass Groenewold in München einen Teil der Hotelkosten übernommen habe, habe er seinerzeit gar nicht gewusst. Und die Auslagen für einen Babysitter will Wulff Groenewold in bar erstattet haben. Die Staatsanwälte halten solche Aussagen für unglaubwürdig.

So oder so gibt sich Wulff überzeugt, dass er sich strafrechtlich nichts hat zuschulden kommen lassen. Hotelkosten, heißt es im Umfeld, hätte er ohnehin nicht selbst tragen müssen. Schließlich hätte es bei der München-Reise auch dienstliche Termine eine Rolle gespielt. „Die Ermittlungen wurden in beispielloser Form geführt“, sehen Wulffs Anwälte den tief gestürzten Politiker als Opfer einer Hexenjagd.

Christian Wulffs Rolle

Für Wulff (54) geht es um Rehabilitation. Lange als Schwiegermutter-Liebling belächelt, kämpfte der CDU-Politiker sich 2003 in Niedersachsen im dritten Anlauf vom Oppositionsführer zum Ministerpräsidenten hoch. Als Wulff 2010 Bundespräsident werden sollte, hieß es, Kanzlerin Merkel entledige sich so ihres letzten verbliebenen Rivalen in der CDU.

Die Trennung von seiner ersten Ehefrau Frau Christiane und die Beziehung zu Bettina Körner (später Wulff) sehen viele in der CDU als Anfang vom Ende der Karriere Wulffs. Wulff zog es offenbar in die Welt des Glamours, das Paar füllte gern die bunten Blätter.