Berlin. . Halbzeit bei den Verhandlungen zwischen Union und SPD. Viele glauben, die Gespräche seien im Grunde ein abgekartetes Spiel, um die SPD-Basis ruhig zu stellen. Das wäre aber eine riskante Strategie. Zumal inzwischen auch bei der CDU die Basis rumort.

Meist ist es harmonisch zugegangen, zumal wenn sich Konsenspolitiker wie Frank-Walter Steinmeier und Thomas de Maizière gegenübersaßen. „Wenn wir das nicht hinkriegten, kriegen andere das erst recht nicht hin“, sagte de Maizière; sein SPD-Kompagnon lächelte dazu.

Zur Halbzeit der Verhandlungen über eine Große Koalition gibt es zwei Deutungsversuche. Einige sagen, die Gespräche seien ein abgekartetes Spiel. Außenpolitiker Steinmeier und der CDU-Verteidigungsminister seien ein Beispiel dafür. Nach der Lesart waren die Sondierungsgespräche entscheidend. Die anschließenden Verhandlungen sollen nur helfen, zu den großen Linien Details zu klären, Zeit zu gewinnen und die Parteien mitzunehmen, gerade die SPD-Basis. Mehr solle man in die Hamsterräder nicht hineininterpretieren; und dort, in den Arbeitsgruppen, sähen es die Fachpolitiker inzwischen genauso.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe legt Wert auf eine Feststellung: „Wir haben keinen Plan B in der Tasche.“ So sicher ist er sich, dass sich eine Große Koalition finden wird. Finanzminister Wolfgang Schäuble betrachtet es als „Inszenierung“, dass die SPD ihre Mitglieder zum Ergebnis der Verhandlungen befragen will. Seit Wochen drängt sich der Eindruck auf, dass die SPD sich in nahezu allen Arbeitsgruppen durchsetzt. Es häufen sich die Erfolgsmeldungen. Dieser (inszenierte?) Gesamteindruck soll die SPD-Basis überwältigen. Die Unions-Führung verfolgt es mit stummer Billigung.

„Auch wir haben eine Basis“, ruft eine CDU-Abgeordnete

Aber in den hinteren Bänken rumort es vernehmlich. „Auch wir haben eine Basis“, rief die niedersächsische Abgeordnete Gitta Connemann in der letzten Unions-Fraktionssitzung aus.

Auch interessant

Kanzlerin Angela Merkel hat zwei Termine im Auge: Die Parteitage der SPD in dieser Woche und der CSU am 22/23. November. Erst danach wolle sie andere Saiten aufziehen. Erst dann gehe es um Merkels M&M, um ihre Macht im Kabinett und die Moneten. „Alle Fragen, die mit Finanzen zu tun haben“, macht Unionsfraktionschef Volker Kauder klar, „werden am Schluss der Koalitionsverhandlungen beantwortet“.

Genau hier setzt die zweite Denkschule an: Zwischen dem 25. und dem 27. November fielen wirklich die Entscheidungen, unter Zeitdruck, in kleinster Runde. Kauder ahnt, „das werden schwierige Schlussrunden.“ Weil dann deutlich werden müsse, so fügt er hinzu, „dass die Wähler Angela Merkel und ihre Politik bestätigt und keinen Politikwechsel gewählt haben“.

Streng genommen hatte die CDU im Wahlkampf zwei Prioritäten gesetzt: Dass Merkel Kanzlerin bleibt und dass die Mütterrente kommt; wovon auch alle ausgehen. Spätestens hier ist der Zeitpunkt gekommen, auch die M&M von der CSU (Maut) und von der SPD (Mindestlohn) zu nennen.

Sigmar Gabriel bleibt auffallend zahm

Für Merkels Macht ist die Beinfreiheit auf zwei Feldern wichtig: Erstens in der Energiewende, weshalb die Union darauf drängt, Kompetenzen in einem Ressort zu bündeln; in welchem, ist fast zweitrangig, CDU-geführt sollte es nur sein. Zweitens in der Finanzpolitik. Die Kanzlerin will keine Zweifel an ihrem Sparkurs aufkommen lassen. Der Garant dafür ist Schäuble. Er sehe „weit und breit keinen besseren Finanzminister“, so Kauder.

Warum sollte die SPD der Union das wichtigste Ressort streitig machen, wo sie doch ihre finanzpolitischen Ziele längst abgeschrieben hat? Um die Gemüter zu beruhigen, erinnerte Kauder an die Fakten: Die Union habe Eckpunkte wie das Nein zu Steuererhöhungen und zu neuen Schulden durchgesetzt. SPD-Chef Sigmar Gabriel widerspricht nicht einmal. Aus dem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung hört man heraus, wie er es seiner Partei nahebringen will: „Sollten wir ein gerechteres Steuersystem mit der CDU/CSU nicht hinbekommen – wonach es zugegeben derzeit aussieht –, bleiben ja noch viele andere Themen, bei denen wir etwas bewegen können.“ Merkel sieht es genauso.