Berlin. .
Das ärgert die Bayern: Auf ihren Straßen rollen die Österreicher. Gratis. Wenn aber bayerische Autofahrer nach Österreich wollen, werden sie abkassiert. Die „Ungerechtigkeit“ hat Horst Seehofer zum Wahlkampf-Schlager gemacht. Jetzt diskutiert Deutschland über die Straßengebühr. Und die EU hält eine Pkw-Maut für Ausländer durchaus für rechtens, wenn Inländer mit einem Rabatt bei der Kfz-Steuer entschädigt werden.
Wie argumentiert der EU-Verkehrskommissar?
Siim Kallas sagt, dass die europäische Richtlinie Nr. 62 von 1999 es Mitgliedstaaten grundsätzlich erlaubt, von allen Autofahrern Straßengebühren zu verlangen, um dann die eigenen Staatsbürgern bei der Kraftfahrzeugsteuer zu entlasten. Er deutet an, dass die Einnahmen direkt dem Verkehrswegebau zufließen sollten. Auch müsse die Höhe der Maut „in einem angemessenen Verhältnis zu Nutzung“ stehen. Klartext: Wer oft deutsche Autobahnen benutzt, soll mehr zahlen.
Was bedeutet das für die Koalitionsverhandlungen?
Dass Pkw-Maut für Ausländer, ohne die CSU-Chef Seehofer keinen Koalitionsvertrag unterschreiben will, in den Bereich der Möglichkeiten rückt. Die Gegner - also SPD, Grüne und auch die CDU unter Kanzlerin Merkel („Mit mir keine Maut“) - können nicht mehr argumentieren, die Gebühr verstoße gegen EU- Recht. Vorher hatten sie auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur „Ungleichbehandlung“ gezeigt.
Warum wird überhaupt über eine Maut diskutiert?
Weil 21 europäische Länder eine Maut haben. Zweitens: wegen des Neids der bayerischen Autofahrer. Drittens: Die Arbeitsgruppe Verkehr der Koalitionsgespräche redet über die Notwendigkeit der stärkeren Straßenfinanzierung. Die Lücke ist riesig. Jährlich fehlen 7,5 Milliarden Euro, um das Netz in Stand zu halten. Ein Fünftel der deutschen Autobahnen sind in kritischem Zustand, sagt das Institut für Wirtschaftsforschung. Die Maut ist also eine Option, das Geld zur Reparatur aufzubringen.
Was bedeutet die Einführung der Pkw-Maut praktisch?
Wenn sie denn kommt, dann am ehesten in der Form der Vignette, vielleicht noch kontrolliert durch Satellitensignal. Das geht so: Deutsche Autofahrer müssen jährlich (alternativ: wöchentlich, monatlich) einen Aufkleber kaufen - zum Beispiel für 100 Euro. Sie bekommen die Kosten später durch einen Rabatt bei der Kfz-Steuer erstattet. Wer als Ausländer über eine deutsche Grenze ins Land will, muss die Vignette vorher an Tankstellen oder am Übergang erwerben und bekommt nichts ersetzt.
Deutschland neigt zum „Modell Österreich“. Wie läuft das denn in den Alpenländern?
Die Gebühr in Österreich hebt sich für Inländer deutlich von der für Ausländer ab. Österreicher müssen an ihren Staat 80 Euro im Jahr zahlen, ausländische Autofahrer können ein Zehn-Tages-Pickerl bekommen für knapp acht Euro. Die Schweiz plant ähnlich: Für Inländer will sie die bestehende Vignetten-Maut von heute 40 auf 100 Franken erhöhen, Ausländer könnten mit einer Zwei-Monats-Vignette für 40 Franken davonkommen.
Lohnt sich für den deutschen Staatshaushalt die Erhebung einer Maut für Ausländer?
Das ist umstritten. Zwar glaubt Seehofer an Einnahmen von 800 Millionen Euro - eine Einschätzung, die auch vom Mauttechnik-Unternehmen Ages in Langenfeld geteilt wird. ADAC und die Umweltorganisation BUND haben aber errechnet, dass der Anteil ausländischer Autofahrer auf deutschen Straßen zu gering ist, um damit verdienen zu können: rund fünf Prozent. So könnte eine Vignette nach dem Vorbild Österreich 300 Millionen Euro bringen. Zum Vergleich: Durch die Lkw-Maut kassiert der Staat 4,3 Milliarden Euro jährlich. Mit 300 Millionen wäre aber gerade der Aufwand abgegolten, der für Herstellung, Verkauf und Kontrolle der Vignette nötig ist.
Welche Nachteile hätte eine Pkw-Maut für die Deutschen?
Ohne „Öko-Rabatt“ bliebe sie umweltpolitisch ungerecht. Ein spritsaufender SUV würde die gleiche Gebühr zahlen wie ein Kleinwagen mit Mini-Verbrauch. Auch wird die Übertragung ins deutsche Recht kompliziert, weil die Kfz-Steuer gegengerechnet werden muss, fürchtet der grüne Verkehrsexperte Tressel: „Der bürokratische Aufwand wäre enorm.“ Denn die Steuer ist nach Baujahr, Fahrzeugklassen und Schadstoffausstoß unterteilt und hat Ausnahmen, etwa für Oldtimer.