Berlin.. Schlaglöcher, Staus und gesperrte Brücken, in NRW reiht sich Baustelle an Baustelle. Die regionale Wirtschaft schlägt Alarm. In Dortmund forderten die Industrie- und Handelskammern des Reviers mehr Bundesmittel für vernachlässigte Verkehrsprojekte – und präsentierten gleich eine Wunschliste.

Nordrhein-Westfalen erlebt einen Herbst der Autobahnbaustellen. Im September: zeitweise Vollsperrung bei Dortmund. Im Oktober: Der Ruhrschnellweg wird bei Bochum übers Wochenende „geschlossen“. In den Herbstferien: An 32 Stellen bringen Bauarbeiten Eng­pässe – von Aachen ganz im Westen bis zur A45 bei Schwerte. Und nächstes Jahr wird die Berliner Brücke in Duisburg zum Nadelöhr. Bei gleich elf A-59-Überquerungen von Ruhr und Häfen stehen in vier Monaten Notsanierungen an.

Gesperrte Brücken, Schlaglöcher, Staus: Der regionalen Wirtschaft im Ruhrgebiet platzt jetzt der Kragen. In Dortmund präsentierten die Industrie- und Handelskammern des Reviers gestern eine Rechnung, nach der das Land seit zwei Jahrzehnten beim Geldsegen für Verkehrsprojekte außen vor gelassen wurde.

In NRW kommt zu wenig Geld an

IHK-Verkehrsexperte Joachim Brendel: „Von vorgesehenen Straßenbauprojekten des Bundesverkehrswegeplans zwischen 2001 und 2010 wurden in der Region Stuttgart 72 Prozent, in Berlin 66 Prozent, in Leipzig/Dresden 38 Prozent verwirklicht. In der Metropole Ruhr waren es gerade 25 Prozent.“ Und pro Kopf der Bevölkerung werden in Thüringen 134 Euro im Jahr in den Fernstraßenbau investiert, in Sachsen-Anhalt 37 Euro und in Baden-Württemberg 34,50 Euro. In Nordrhein-Westfalen kommen gerade 20 Euro an.

Dabei liegen im bevölkerungsreichsten Bundesland auch die wirtschaftlichsten Strecken. Darunter ist die mit dem höchsten Kosten-Nutzen-Faktor bundesweit: das A-445-Projekt von Werl nach Hamm. Aber hier tut sich seit 30 Jahren nichts.

Woran das Gefälle liegt? Brendel ahnt einen Grund: „Im wichtigen Bundestags-Verkehrsausschuss sitzen vor allem Abgeordnete aus Bayern, Baden-Württemberg und den Küstenländern.“ Und die bedächten notfalls zuerst eben die eigene Region.

Unternehmen fordern Investitionen

Eine Kammerumfrage unter 3000 Unternehmen in NRW hat ergeben: 94 Prozent der Wirtschaftsbetriebe an Rhein und Ruhr fordern mehr Investitionen ins Verkehrsnetz. 88 Prozent halten auch Aus- und Neubau für nötig.

Die NRW-Wirtschaft hat eine Liste von dringenden Projekten in der Schublade: Bei der Bahn sind es:

  • Der Anschluss zwischen dem Seehafen Antwerpen und dem Revier;
  • Der Ausbau der Ruhr-Sieg-Strecke durchs Sauerland;
  • Mehr Gleise auf der Strecke zwischen Dortmund und Hamm.
  • Noch länger ist die Autobahn-Wunschliste. Dazu gehören:
  • Der B-1-Tunnel in Dortmund;
  • sechsstreifiger Ausbau der A 40 zwischen Duisburg-Kaiserberg und Essen;
  • Ausbau der A 42 zwischen Herne und Bottrop-Süd;
  • Erweiterung der A 43 zwischen Recklinghausen und Bochum;
  • Sowie die Ausbauten der A 45 Dortmund-Hagen, der A 57 zwischen Kamp-Lintfort und Meerbusch und der A 59 in Duisburg.

AutobahnenEs gibt Nachholbedarf

Nachholbedarf ist da. Wer das bezahlt? In den nächsten 15 Jahren sind jährlich zusätzlich 7,5 Milliarden Euro nötig, um bundesweit Modernisierungslücken im Verkehrsnetz zu schließen, errechnete eine Kommission der Länderverkehrsminister. Das ist eine theoretische Größe, die berücksichtigt, dass die vernachlässigten Bundesfernstraßen jeden Tag 13 Millionen Euro an Wert verlieren. Zufrieden wären die Länder aber schon mit einem weit geringeren Zuschlag.

NRW will Lkw-Maut ausweiten

NRW drängt deshalb auf eine Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Straßen und auf die Lkw der Gewichtsklasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. Bayern fordert die Pkw-Maut für Ausländer. Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt sind für die Verlängerung des Solidaritätszuschlags über 2019 hinaus. Von 14 Milliarden Euro jährlich sollen vier Milliarden ins Bahn- und Straßennetz fließen.

Viele Unternehmen sind übrigens bereit, einen eigenen Beitrag zur Straßensanierung zu leisten. Auch das ergab die IHK-Umfrage in NRW. Danach hat ein Drittel nichts dagegen, wenn die Lkw-Maut auf Kleinlaster ausgedehnt wird.