Washington. .
Das Feilschen um Staatshaushalt und Schuldenlimit in Amerika steckt zu Beginn der entscheidenden Woche in der Sackgasse. Bevor die USA am 17. Oktober an ihr Limit bei der Aufnahme von Krediten stoßen, haben sich Republikaner und Demokraten im Kongress immer noch nicht auf einen Kompromiss mit dem Weißen Haus verständigt, der das Land mittelfristig liquide hält. Die an die Leitwährung Dollar gekoppelte Weltwirtschaft setzt auf ein Einlenken der Streitparteien in letzter Minute. Andernfalls kann es sehr ungemütlich werden. Die wichtigsten Aspekte im Überblick.
Was könnte geschehen, falls es bis Donnerstag keine Einigung gibt?
Finanzminister Jack Lew hat noch Bar-Reserven von 30 Milliarden Dollar in der Kasse. Anfang November werden nach seinen Angaben an einem Tag allein 60 Milliarden für Sozialleistungen, Soldaten und Veteranen fällig, plus 70 Milliarden für Zins und Tilgung beim Schuldendienst. Die Regierung müsste, weil sie ohne Parlamentsbeschluss keine neuen Schulden aufnehmen darf, also radikal Ausgaben kürzen, Gehälter etwa und öffentliche Aufträge. Die Rede ist von mindestens 100 Milliarden Dollar bis Mitte November. Erwartete Konsequenz: Firmen bauen Stellen ab, zahlen Löhne nicht mehr, der Endverbraucher schränkt seinen Konsum drastisch ein. Was zusätzliche Mindereinnahmen für den Staat bedeutet.
Vor welcher Ketten-Reaktion haben Finanzmärkte und Regierungen weltweit am meisten Angst?
Vorab: Niemand kann heute präzise vorhersehen, welche Folgen auch nur ein teilweiser Zahlungsausfall der USA haben würde, weil so etwas in der jüngeren Geschichte noch nicht vorgekommen ist. Und sämtliche Akteure gehen immer noch davon aus, dass Washington am Ende zur Vernunft kommen wird. Auch wenn die Uhr tickt.
Aber was, wenn die USA tatsächlich ihre Schulden nicht mehr bedienen können?
Dann werden die Rating-Agenturen die Bonität Amerikas voraussichtlich empfindlich herabstufen. Die Folgen: höhere Zinsen. Pensionsfonds müssten sich von ihren US-Staatsanleihen trennen, da sie nur in beste Ratings investieren dürfen. Eine Verkaufswelle würde an den Finanzmärkten und bei Banken weltweit, die weitgehend auf US-Staatsanleihen als Sicherheiten setzen, eine Panik auslösen. Wer Kredite mit US-Anleihen gesichert hat, müsste sie sofort zurückzahlen. Viele Investoren würden zahlungsunfähig. Aus Entwicklungs- und Schwellenländern würden massiv Gelder abgezogen. Die Folgen wären nach Berechnung von Experten im Finanzvolumen 23 Mal größer als nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008. Der Schaden wäre nach Ansicht von Analysten langfristig kaum zu reparieren, weil die wichtigste Währung an den Finanzmärkten – Vertrauen in den „sicheren Hafen“ namens Dollar – nachhaltig beschädigt wäre.
Kann Präsident Obama die Katastrophe auf eigene Faust abwenden?
Theoretisch schon. Im 14. Verfassungszusatz steht, dass Amerikas Staatsschulden sozusagen heilig sind und immer beglichen werden müssen. Daraus leiten manche Experten ab, dass der Präsident in höchster Not eigenmächtig Geld freimachen kann. Ob solche Anleihen am Markt akzeptiert würden, ist fraglich. In einem anderen Szenario wird ein Trick erwogen, um den zusätzlich benötigten Kreditrahmen von 1000 Milliarden Dollar zu gewährleisten: Der Finanzminister könnte eine Eine-Billion-Dollar-Münze prägen lassen, das Unikat bei der US-Notenbank hinterlegen und dafür echtes Geld eintauschen. Obama hat beiden „Taschenspielertricks“ eine Absage erteilt. Seine Begründung: Sie trügen nur zur ohnehin schon großen Verunsicherung bei.
Ist das Schuldenproblem der USA wirklich so gravierend? Ja. Zwar hat sich das aktuelle Staatsdefizit durch geringere Militärausgaben und höhere Steuereinnahmen auf ein Fünftel der Summe von 2009 reduzieren lassen. Aber mittelfristig droht Amerika, das mit 16,7 Billionen Dollar (12,3 Billionen Euro) in der Kreide steht, der Kollaps, wenn nicht gegengesteuert wird.