Kairo..


Kairo ist empört. Ägypten lasse sich nicht erpressen, tönt es aus dem Außenministerium. Die Entscheidung Washingtons sei „verfehlt in puncto Inhalt und Zeitpunkt“ und werfe schwere Zweifel auf an der Bereitschaft der USA, Ägypten strategisch zu unterstützen. Denn: Das Weiße Haus dreht die Schrauben an, will dem „Kampf gegen den Terror“ der neuen Militärregierung am Nil nicht weiter tatenlos zusehen. Erstmals seit 30 Jahren werden die USA die jährliche Militär- und Wirtschaftshilfe für Ägypten von 1,5 Milliarden Dollar empfindlich kürzen.

Drei Monate sind seit dem Sturz von Ägyptens islamischem Präsidenten Mohammed Mursi vergangen. Und die neuen Herren in Kairo machen keinerlei Anstalten, nach einem politischen Ausgleich mit den entmachteten Muslimbrüdern zu suchen und so die innere Lage zu entspannen. Stattdessen setzen sie voll auf Konfrontation, Abschreckung und den Sicherheitsapparat.

Die gesamte Führung der Muslimbruderschaft sitzt hinter Gittern. Nun gab die Justiz zudem bekannt, man werde dem abgesetzten Präsidenten Mursi am 4. November wegen Anstiftung zum Mord den Prozess machen. Mehr als tausend Demonstranten haben Polizei und Armee in den letzten Wochen getötet, die meisten durch gezielte Schüsse – das größte Massaker von Sicherheitskräften in der modernen Geschichte Ägyptens.

Alle Versuche von US-Präsident Barack Obama, seinem Außenminister John Kerry und Verteidigungsminister Chuck Hagel, die neuen Machthaber am Nil zu Mäßigung und Umsicht zu bewegen, gelten in der US-Führung offenbar als gescheitert.

Und so zieht das Weiße Haus nun Konsequenzen. Schon seit Anfang Juli wird kein schweres Kampfgerät wie die Abrams-Panzer, F-16-Flugzeuge, Abwehrraketen und Apache-Hubschrauber mehr nach Kairo geliefert. Ab sofort sind auch alle weiteren Bestellungen blockiert, so lange es „keine glaubwürdigen Schritte hin zu ei­ner alle politischen Gruppen umfassenden, zivilen und demokratisch legitimierten Regierung gibt“. Lediglich bei Ersatzteilen und Trainingskursen sowie bei Ausrüstung für Grenzüberwachung und Terrorbekämpfung auf dem Sinai wollen die USA weiter zahlen.

Golfstaaten sollen aushelfen

Dieser Lieferstopp wird Ägyptens Armee härter treffen, als die Summen auf den ersten Blick vermuten lassen. Nach einer Bilanz des „Congressional Research Service“ sind 80 Prozent aller ägyptischen Waffenkäufe aus dem US-Haushalt finanziert. Selbst wenn die reichen Golfstaaten einspringen und die Lücken schließen – die gesperrte US-Militärtechnik können die Ölstaaten nicht ersetzen.

Sollte Washington auch noch Ersatzteillieferungen und Wartungsverträge stoppen, wird die Einsatzkraft der ägyptischen Armee rapide verfallen. Denn die Generäle am Nil haben sich zum Verdruss ihrer US-Kollegen nie darum gekümmert, die Hilfsgelder in eine eigene Infrastruktur für Wartung und Reparatur ihrer Panzer, Hubschrauber und Flugzeuge zu investieren. Zudem gelten die ägyptischen Streitkräfte bei US-Militärexperten als extrem bürokratisch und verkrustet, ihre F-16-Kampfpiloten als gefährlich untertrainiert mit einer der höchsten Unfallraten der Welt.