Kiew.. Europa-Gesandte haben die Begnadigung der ukrainischen Oppositionsführerin Julia Timoschenko beantragt. In einem Brief erklärt die Inhaftierte, nach Deutschland reisen zu wollen, um sich dort behandeln zu lassen. Noch ist unklar, wie Staatspräsident Wiktor Janukowitsch auf das Gesuch reagieren wird.
Die Lösung des Falles Julia Timoschenko scheint in Reichweite: Die Sondergesandten des Europaparlaments, der Ex-EU-Präsident Pat Cox und das frühere polnische Staatsoberhaupt Aleksander Kwasniewski, haben am Freitagnachmittag ein Gnadengesuch beim ukrainischen Staatspräsidenten Wiktor Janukowitsch eingereicht, so Timoschenkos Anwalt. Eine Antwort Janukowitschs stand am Freitagabend noch aus, doch die Vorzeichen sind günstig.
Die Freilassung Julia Timoschenkos gilt als wichtigste von elf Bedingungen für die Unterzeichnung des Assoziationsabkommens zwischen Brüssel und Kiew. Diese ist für Ende November in der litauischen Hauptstadt Vilnius vorgesehen, doch die standhafte Weigerung der Ukraine, Oppositionsführerin Julia Timoschenko freizulassen, gab lange wenig Anlass zur Hoffnung.
Timeschenko will zu Behandlung nach Deutschland
Julia Timoschenko veröffentlichte ihrerseits am Freitagabend auf ihrer Homepage einen Brief an die Ukrainer, in dem sie sich erstmals bereit erklärt, nach Deutschland auszureisen, um sich dort medizinisch behandeln zu lassen. Ein entsprechender Vorschlag von offizieller Seite sei ihr am Donnerstag von Cox und Kwasniewski überreicht worden, schreibt die Integrationsfigur der "orangenen Revolution" von Ende 2004.
Timoschenko sitzt seit Ende 2011 eine siebenjährige Haftstrafe wegen angeblichen Amtsmissbrauchs ab. Der Prozess und ihre Verurteilung wurden von Brüssel und Washington als „politisch motiviert“ kritisiert. Ziel sei neben der Rache des Umfeldes von Staatspräsident Janukowitsch ihr Ausschluss von den Präsidentschaftswahlen des Jahres 2015. Janukowitsch will sich dann für eine zweite Amtszeit bestätigen lassen; Timoschenko wäre seine gefährlichste Herausfordererin.
Ähnliches Abkommen offenbar schon einmal gescheitert
„Meine Ausreise nach Deutschland ist keine Emigration“, betont Timoschenko in ihrem Schreiben. „Ich werde nie und nimmer um politisches Asyl bitten, sondern weiterhin aktiv für die Befreiung der Ukraine kämpfen“, schreibt sie.
Insider in Kiew behaupten, ein ähnlicher Ausreise-Kompromiss sei im Sommer schon einmal gescheitert, weil sich Janukowitsch nicht damit abfinden konnte, dass sich seine Erzfeindin im Ausland nicht den Mund verbieten lassen will. Als positives Vorzeichen gilt, dass Janukowitsch den Timoschenko-Jäger Renat Kuzmin, bisher Erster Vizestaatsanwalt der Ukraine, überraschend zum Vize-Verteidigungsminister ernannt hat. Gegen Julia Timoschenko leitete er zwei weitere Strafuntersuchungen ein – unter anderem wegen eines angeblichen Auftragsmordes. Die Wende zeigt: Kiew marschiert Richtung Brüssel.