Bochum. . Der finnische Konzern Outokumpu streicht 450 Stellen in der Revierstadt. Die Belegschaft ist fassungslos, die Landesregierung spricht von einem Skandal. Bittere Erinnerungen werden wach an den unrühmlichen Abzug von Nokia aus Bochum.

Der Stadt Bochum droht im kommenden Jahr ein massenhafter Verlust an Industriearbeitsplätzen: Neben dem Opel-Werk soll auch die Nirosta-Edelstahlschmelze 2014 geschlossen werden – zwei Jahre früher als geplant. Das kündigte der finnische Konzern Outokumpu an, der die Edelstahlsparte Inoxum samt Nirosta 2012 von Thyssen-Krupp übernommen hat. In Bochum betroffen sind 450 Beschäftigte.

Damit erklärte Outokumpu einen geltenden Tarifvertrag mit der IG Metall für hinfällig. Er enthält eine Standortgarantie für Bochum bis Ende 2016. Auch die Walzwerke in Krefeld sollen stärker bluten und weitere 330 Stellen abbauen. Zum ohnehin geplanten Abbau von 850 Stellen in Deutschland sollen 800 hinzukommen, darunter viele Verwaltungsjobs.

Outokumpu-Chef schließt Kündigungen nicht aus

Outokumpu-Chef Mika Seitovirta schloss im Gespräch mit der WAZ Kündigungen nicht aus. „Wir können derzeit gar nichts ausschließen“, sagte er, „die Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite beginnen jetzt erst.“ Der Abbau solle aber so sozialverträglich wie möglich gestaltet werden.

Das sagen die Mitarbeiter

Atilay Güven (34) arbeitet seit 15 Jahren im Bochumer Werk:
Atilay Güven (34) arbeitet seit 15 Jahren im Bochumer Werk: "Ich bin traurig und habe große Angst um meinen Arbeitsplatz. Ich bin gerade vor zwei Wochen Vater einer kleinen Tochter geworden – und dann so eine Nachricht. Ich weiß nicht, ob ich demnächst auf der Straße stehe. Gleichzeitig bin ich sauer über das arrogante Auftreten der Outokumpu-Führungsetage gegenüber uns Mitarbeitern." © Tim Schulz / WAZ FotoPool
Udo Beckmann (56) arbeitet seit 38 Jahren im Bochumer Werk:
Udo Beckmann (56) arbeitet seit 38 Jahren im Bochumer Werk: "Nicht nur mein Herz, mein ganzes Leben hängt an dem Werk. Was Outokumpu mit uns macht, ist eine bodenlose Sauerei, weil wir gültige Verträge haben. Ich bin fassungslos und wütend über die Entscheidung. Das Werk in Bochum zu schließen ist wirtschaftlicher Unsinn. Wir sind absolut konkurrenzfähig und der bessere Standort als Finnland.“ © Tim Schulz / WAZ FotoPool
Ute Hickler (33) arbeitet seit 15 Jahren im Bochumer Werk:
Ute Hickler (33) arbeitet seit 15 Jahren im Bochumer Werk: "Wir sind alle wütend. Aber mich überrascht diese neue Entwicklung nicht, das hat sich doch schon angebahnt. Ich finde, der Konzern Outokumpu geht menschenverachtend mit uns, seinen Mitarbeitern, um. Wir müssen jetzt weiter kämpfen und streiken, das ist das einzige Mittel, das die Unternehmensspitze trifft." © Tim Schulz / WAZ FotoPool
Halit Kanik (52) arbeitet seit 33 Jahren im Bochumer Werk:
Halit Kanik (52) arbeitet seit 33 Jahren im Bochumer Werk: "Die Finnen wollen nur eine Marktbereinigung machen. Die haben uns, den Marktführer, platt und die Belegschaft psychisch krank gemacht. Bis jetzt haben wir alles mitgemacht, aber gestern hat der Kampf begonnen. Ich habe als Vertrauensmann Verantwortung für die Belegschaft und nun Magenschmerzen. Ich bin wütend." © Tim Schulz / WAZ FotoPool
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Seitovirta begründete den Schritt mit dem schwächelnden Edelstahlgeschäft in Europa, das unter enormen Überkapazitäten und billigen Import-Stahl aus Asien leide. Als er dies gestern protestierenden Stahlkochern in Krefeld sagte, wurde er lautstark ausgebuht und beschimpft.

Guntram Schneider (SPD) spricht von einem „Skandal“

Damit wagt Outokumpu auch den offenen Konflikt mit der IG Metall und der NRW-Regierung, die ins Krefelder Werk Landesmittel gesteckt hatte. Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) sprach von einem „Skandal“ und erinnerte an den „Fall Nokia“, wo öffentliche Mittel zurückgezahlt werden mussten.

Dieser Zeitung sagte er: „Eine Schließung bedeutet, dass ein Weltkonzern offenen Vertragsbruch begeht.“ Ministerpräsidenten Hannelore Kraft (SPD) sagte nach einem Telefonat mit Seitovirta: „Dieses Verhalten verstößt gegen die Unternehmenskultur in diesem Land.“

Die IG Metall kündigte harten Widerstand an. „Wir werden jede politische und rechtliche Möglichkeit nutzen, die angekündigten Schließungs- und Abbaupläne zu verhindern“, sagte der nordrhein-westfälische IG-Metall-Chef Knut Giesler und drohte zugleich mit Arbeitskämpfen. Der Bruch des Tarifvertrags sei „pure Provokation“.