Washington. In den USA ist im Haushaltsstreit der Ernstfall eingetreten: Das Weiße Haus hat einen Verwaltungsstillstand angeordnet und damit 800.000 Mitarbeiter in den Zwangsurlaub geschickt. Die Republikaner wollen so Änderungen an Barack Obamas Gesundheitsreform durchsetzen.
Die öffentliche Verwaltung der USA ist zum ersten Mal seit 17 Jahren lahmgelegt. Das Weiße Haus ordnete den Verwaltungsstillstand an, nachdem sich Demokraten und Republikaner im Kongress in der Nacht zum Dienstag nicht auf einen neuen Haushalt einigen konnten. Damit kommt es zu einem Stillstand in der Verwaltung ("government shutdown"). Das US-Präsidialamt ordnete kurz vor Mitternacht (6 Uhr MESZ) die Schließung von Regierungseinrichtungen an.
Mit der finanziellen Lähmung müssen rund 800.000 Staatsbedienstete unbezahlt in Zwangsurlaub geschickt werden. Zahlreiche Ämter und Einrichtungen müssen geschlossen bleiben. Ausnahmen gelten nur für Angestellte, die der Grundversorgung und der Sicherheit des Landes dienen, beispielsweise Soldaten, Gefängniswärter, Mitarbeiter an Grenzposten oder in Krankenhäusern.
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Wenige Stunden vor Fristende hatte Obama den Kongress noch einmal zu einer Einigung aufgerufen. Die finanzielle Lähmung der Regierung würde "Sand ins Getriebe" der sich erholenden Wirtschaft streuen, sagte er. Den Republikanern warf der Präsident vor, das Land zu "erpressen". Obama telefonierte mit Spitzenpolitikern aus dem Kongress, darunter der republikanische Vorsitzende im Repräsentantenhaus, John Boehner. Boehner zeigte sich aber unnnachgiebig. "Ich werde nicht verhandeln", sagte er bei einer Debatte in seiner Kongresskammer.
Republikaner fordern Änderungen an Gesundheitsreform
Die Fronten sind verhärtet, weil die Republikaner ihre Zustimmung zu einem Übergangsbudget von Änderungen an Obamas Gesundheitsreform abhängig machen. Für den Präsidenten und seine Demokraten ist dies nicht akzeptabel. Wichtige Teile des Affordable Care Act ("Gesetz für eine bezahlbare Krankenversicherung"), der als größtes innenpolitisches Projekt von Obama gilt, treten am Dienstag in Kraft.
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Kernstück der auch Obamacare genannten Reform ist die Pflicht aller Bürger, gegen Androhung einer Strafzahlung eine Krankenversicherung abzuschließen. Konservative Kritiker sehen darin eine Beschneidung von individuellen Freiheitsrechten, außerdem prangern sie das vor drei Jahren verabschiedete Gesetz als Belastung für die Wirtschaft an.
Erzkonservativer Tea-Party-Flügel treibt Blockade an
Angetrieben vom erzkonservativen Tea-Party-Flügel machten die Republikaner Obamacare zum Thema bei den Verhandlungen für ein Übergangsbudget, das die Staatsfinanzierung in den ersten Monaten des am Dienstag beginnenden Fiskaljahres 2014 gewährleisten soll. In den vergangenen Tagen lieferten sich das republikanisch dominierte Repräsentantenhaus und der von den Demokraten beherrschte Senat dann ein politisches Ping-Pong-Spiel: Zwei Mal legte das Repräsentantenhaus ein Übergangsbudget vor, das die Gesundheitsreform in Frage stellte; zwei Mal schmetterte der Senat die Vorlage ab.
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Ungeachtet der Mahnung des Präsidenten votierten die Republikaner am Montagabend ein drittes Mal für einen Etatentwurf, der eine Klausel zum Aufschub der zum 1. Januar 2014 geplanten Versicherungspflicht enthielt - der Senat wies dies wie erwartet umgehend zurück. Eine Revolte einer kleinen Gruppe republikanischer Abgeordneter, die den Blockadekurs ihrer Partei nicht mittragen wollten, blieb ohne Ergebnis.
Umfrage sehen öffentliche Meinung eher für Obama
"Die Gesundheitsreform schreitet voran. Die Finanzierung steht. Sie ist nicht zu stoppen", sagte Obama an die Adresse der Republikaner. Der "extrem rechte Flügel" der Partei halte den Kongress mit "ideologischen" Forderungen von seiner Aufgabe ab, ein Budget für das Land zu verabschieden. Umfragen sehen die öffentliche Meinung im Haushaltsstreit eher auf der Seite von Obama. Zuletzt machte die Bundesverwaltung vom 16. Dezember 1995 bis zum 6. Januar 1996 dicht, als sich der damalige Präsident Bill Clinton erbitterte Budgetschlachten mit einer republikanischen Parlamentsmehrheit lieferte.
An den Finanzmärkten wurde die politische Blockade in Washington mit Sorge verfolgt, denn im Haushaltsstreit steht eine noch viel dramatischere Frist an. Bis voraussichtlich zum 17. Oktober muss der US-Kongress die gesetzliche Schuldenobergrenze erhöhen - sonst droht der größten Volkswirtschaft der Welt die Zahlungsunfähigkeit. (dpa/afp/rtr)