Washington.

Es gehört zu den ermüdenden Ritualen, wenn sich die Regierungen der Welt einmal im Jahr in New York vollversammeln: Irans politische Führungsfigur hält im großen Saal der Vereinten Nationen ein poltergeistige Rede. Und im Anschluss verlassen die Delegationen aus Israel und Amerika unter stummem Protest den Saal. Am kommenden Dienstag, wenn nach US-Präsident Barack Obama der neue iranische Präsident Hassan Ruhani am East River an das Rednerpult tritt, wird nach Lage der Dinge ein völlig anderes Stück gegeben.

Der neue Mann in Teheran betreibt seit Amtsantritt im Juni eine Charme-Offensive sondergleichen. Vorläufige Höhepunkte: die öffentliche Verzichtserklärung auf Atomwaffen, das überraschende Angebot einer Vermittler-Tätigkeit im festgefahrenen syrischen Bürgerkrieg, die Freilassung von politischen Gefangenen, ungewohnt friedliche Gesten gegenüber Israel und eine generelle Abrüstung in Auftreten und Wortwahl. Ruhani ist der Gegenentwurf zum rumpelstilzchenhaften Mahmud Ahmadinedschad, der regelmäßig böses Blut hinterließ. Nicht nur, indem er penetrant den Holocaust leugnete und Israel von der Landkarte getilgt sehen wollte.

Zurückhaltende Reaktionen

Washingtons Reaktionen auf den Rollentausch, den Ruhani jetzt mit einem Namensartikel in der „Washington Post“ garniert hat, fallen höflich bis reserviert aus. Obamas Sprecher nannte die iranische Rhetorik zurückhaltend „positiv“. Gemeint war: Wir wissen nicht, was wir davon halten sollen.

Illustrieren lässt sich die Irritation am besten an dem Zungenschlag, den Teheran seit kurzem in Sachen Syrien an den Tag legt. Ruhani hat die Giftgas-Attacken in Damaskus am 21. August scharf verurteilt und öffentlich sachte anklingen lassen, dass man sich auch ein Syrien ohne Assad vorstellen könne. Tatsächlich ist Damaskus der engste Verbündete des iranischen Regimes und aufgrund seiner strategischen Lage zwischen Israel und Iran sowie als Bindeglied zur libanesischen Terror-Miliz der Hisbollah für die Regionalmacht Teheran unentbehrlich. Die iranischen Revolutionsgarden sponsern gemeinsam mit Russland seit langem Assads übel beleumundete Sicherheits- und Geheimdienste mit Millionensummen.

„Falken“ in Washington wittern hinter den neuen Gesten im Iran Strategie. „Teherans einziges Interesse ist es, die internationalen Sanktionen im Gefolge des Atomkonfliktes gelockert zu bekommen“, sagt ein Nahost-Experte der konservativen Heritage-Stiftung in Washington, „sie strangulieren das Land wirtschaftlich immer mehr.“ Dass Ruhani die Tonlage gegenüber Amerika anders akzentuiert, pflichten Experten der Denkfabrik Brookings bei, heiße nüchtern betrachtet erst einmal gar nichts. „Am Ende hat der religiöse Führer Ajatollah Ali Chamenei das letzte Wort. Und von ihm waren bisher keine Bemühungen um eine Normalisierung der Beziehungen zu erkennen.“ Wie viel Prokura Ruhani wirklich hat, müsse sich erst noch zeigen.

Konkrete Zugeständnisse nötig

Charme allein wird nicht reichen, um das gefesselte Banken- und Öl-Geschäft im Iran von den Strafmaßnahmen der internationalen Gemeinschaft zu befreien. Irans Bereitschaft, mit den USA direkt über das Atom-Programm zu verhandeln, könne nur durch „bisher konstant verweigerte Zugeständnisse beglaubigt werden“, heißt es aus dem US-Außenministerium. Der uneingeschränkte Zugang zu allen nuklearen Produktionsstätten sei eine unbedingt zu erbringende Vorleistung.

Die nächste Woche kann Aufschluss bringen, ob zwischen den USA und Iran Tauwetter einsetzt oder nicht. Auch wenn es bisher keine öffentlich bekannte Termine gibt, ein Treffen beider Staatschefs am Rande der UN-Vollversammlung ist nicht ausgeschlossen.