Washington. Aaron Alexis hat das Massaker auf Marine-Basis in Washington verübt, bei dem 13 Menschen ums Leben kamen. Nach ersten Ermittlungen des FBI hatte der 34-Jährige Wut auf seinen früheren Arbeitgeber. In der Vergangenheit fiel er mehrfach durch Waffen-Delikte und Zornesausbrüche auf.
Ein Armee-Veteran mit turbulenter, gewalttätiger Vergangenheit und Wut auf seinen früheren Arbeitgeber steckt hinter dem Massaker, dem am Montag in Washington 13 Menschen im Alter zwischen 46 und 73 Jahren zum Opfer fielen. 14 wurden zum Teil schwer verletzt.
Wie die Bundespolizei FBI in der Nacht mitteilte, hat Aaron Alexis allein gehandelt, als er auf dem Marine-Stützpunkt mit 3000 Angestellten im Südosten der amerikanischen Hauptstadt morgens gegen 8 Uhr mit mehreren Waffen einen Amoklauf startete. Der 34-Jährige kam nach stundenlanger Belagerung bei einem Feuergefecht mit der Polizei ums Leben. "Andernfalls hätte er weitere Menschen getötet", so die Polizei.
Vermutungen, wonach zwei weitere Schützen an der Tat beteiligt gewesen sein könnten, die Washington fast den ganzen Tag über in Ausnahmezustand versetzte, bezeichnete Polizeichefin Cathy Lanier kurz vor Mitternacht als „mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch“.
Ermittler vermuten Rache als Motiv für Amoklauf
Bei der Suche nach dem Motiv des Täters laufen die noch frischen Fäden der Ermittler bisher auf einen Verdacht zu: Rache. Alexis fühlte sich offenbar von der Marine ausgegrenzt und schlecht behandelt. Seine Pensionszahlungen sollen nach Angaben einer Freundin zuletzt ausgeblieben sein, berichten verschiedene US-Medien. Unabhängige Bestätigung dafür gibt es bis zur Stunde nicht.
Von 2007 bis 2011 war der gebürtige New Yorker bei der Marine als Ersatz-Reservist bei einer Flotten-Versorgungseinheit beschäftigt. Seine unehrenhafte Entlassung, so das Verteidigungsministerium, folgte auf eine „Reihe von Fehlverhalten“, darunter ein Vorfall aus Fort Worth/Texas im Jahr 2010. Alexis hatte in seiner Wohnung mit einer Waffe hantiert. Dabei löste sich ein Schuss, der die Decke zur Wohnung über ihm durchschlug, eine Nachbarin nur knapp verfehlte und etliche Anwohner in Angst und Schrecken versetzte. Als die Polizei anrückte, gab Alexis lapidar an, er habe "glitschige Hände" gehabt.
Täter soll immer bewaffnet gewesen sein
Bekannte und Freunde beschreiben Alexis in übereinstimmenden Medienberichten als zwiespältige Persönlichkeit. „Freundlich, lustig und intelligent - und zugleich in sich gekehrt und sehr aggressiv“, berichtet Srisan Somsak aus Fort Worth. Der thailändische Restaurant-Besitzer half Alexis, nachdem der aus seiner Wohnung geworfen worden war, mit einer Bleibe und einem Job. Alexis, der vorzugsweise Heineken-Bier trank, intensiv Videospiele mit Gewalt-Hintergrund spielte und stets bewaffnet war, sprach Thai und ging regelmäßig zur Meditation in einen buddhistischen Tempel. Bis zuletzt führte der Täter ein eher unauffälliges Leben. Über Online-Kurse an der Universität von Daytona Beach/Florida studierte er Seefahrt. Michael Ritrovato, ein Freund des Täters, sagte der New York Times: „Ich kann einfach nicht glauben, dass Aaron eine Waffe auf einen anderen Menschen gerichtet hat.“
Mangelnde Selbstkontrolle gepaart mit einem Hang zum Waffengebrauch hatte den auf Fotos sympathisch lächelnden Afro-Amerikaner schon früh in Schwierigkeiten gebracht. 2004 fühlte sich Alexis von Bauarbeitern in Seattle nach eigenen Worten „nicht respektiert". Eines Morgens schoss er mit seiner Glock-Pistole drei Löcher in die Reifen des Autos der Männer. Gegenüber der Polizei gab der Schütze an, einen „Black-Out“ gehabt zu haben - „aus Zorn“. Alexis wurde, wie auch später bei dem Zwischenfall in Texas, kurzzeitig festgenommen, aber nicht angeklagt oder in ärztliche Behandlung geschickt.
Eltern des Schützen sprechen von "Posttraumatischem Stresssyndrom"
Vater Anthony und Mutter Cathleen, die im New Yorker Stadtteil Brooklyn leben, erklärten die labile Gemütslage ihres Sohnes gegenüber dem TV-Sender NBC mit den Spätfolgen eines „posttraumatischen Stress-Syndroms“. Aaron Alexis war nach den Terroranschlägen vom 11. September einer der vielen New Yorker, die über Tage Erste Hilfe geleistet hatten.
Trotz der unrühmlichen Umstände seiner Entlassung bekam Alexis laut FBI eine Zugangsberechtigung zum Marine-Stützpunkt im Washingtoner Süden. Als Vertragsarbeiter für die „Experten“, eine Zuliefer-Firma des IT-Riesen Hewlett-Packard, sollte er dort ab kommendem Monat wie schon zuvor in Japan auf Stunden-Basis Computer warten. Der „Naval Sea Systems Command“ am Anacostia River ist der größte Marine-Standort an der Ostküste. Hier werden Schiffe und U-Boote gebaut und gewartet, samt der dazu gehörenden Waffen-Systeme.
Täter betrat Gebäude mit Sturmgewehr
Für die Hauptstadt Washington war es der folgenschwerste Vorfall seit bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001, als am Pentagon 184 Menschen ums Leben kamen. Im Verantwortungsbereich der US-Streitkräfte kam es zuletzt in Fort Hood/Texas 2009 zu einem ähnlichen Blutbad, als der islamistisch orientierte Soldat Nidal Hasan zur Waffe griff. Damals starben ebenfalls 13 Menschen.
Noch ist unklar, wie Alexis bewaffnet auf das hoch gesicherte Gelände gelangen konnte. An den drei Pforten müssen sich Besucher einer empfindlichen Überprüfung durch unbarmherziges Sicherheitspersonal unterziehen. Nach vorläufigen Rekonstruktionen der federführenden Bundespolizei FBI soll der ganz in schwarz gekleidete Mann am Eingang einen Wachmann erschossen haben. „Dann nahm er dessen Waffe und setzte in Gebäude 197 seinen Amoklauf fort“, sagte ein Polizeibeamter einem lokalen Radiosender. Woher Alexis das unter anderem eingesetzte Sturmgewehr vom Typ AR-15 hatte, das in der Vergangenheit bei mehreren Massakern in den Vereinigten Staaten benutzt worden war, ist noch unbekannt.
Amoklauf legte US-Hauptstadt in weiten Teilen lahm
Das jüngste Massaker durch Waffengewalt in Amerika hatte die Hauptstadt am Montag über weite Teile lahmgelegt. Aus Angst vor einem Terror-Hintergrund, der sich letztlich nicht bestätigte, wurde das nur wenige Kilometer vom Weißen Haus entfernte Gebiet weiträumig abgesperrt. Tausende Angestellte mussten bis zum Abend in ihren Büros ausharren. Am Kapitol fuhren Sicherheitskräfte auf, der Senat unterbrach seine Sitzungen. Über zehn Schulen schlossen, Busse wurden umgeleitet. Auf dem Inland-Flughafen Ronald Reagan fielen Flüge aus. Im nebenan gelegenen Baseball-Stadium sagte die „Nationals“ ihr Spiel gegen Atlanta ab. Ähnlich verfuhr Präsident Obama, der die bekanntesten Vertreter latein-amerikanischer Musik am Montag zu einem Konzert in das Weiße Haus eingeladen hatte.
In der Nähe des Unglücksortes hielten Anwohner am Abend mit Kerzen und Blumen erste Gedenkwachen. Präsident Obama hat für Freitag Trauerbeflaggung für das ganze Land angeordnet. Er sprach von einem „Akt der Feigheit“. Wieder einmal. Nach einem Amoklauf in Amerika.