Berlin. Zum dritten Mal hintereinander droht den Grünen nach der Bundestagswahl die Oppositionsrolle. Bisher schien es vor allem an der SPD zu liegen, doch nun schwächelt die Öko-Partei in den Umfragen. Im Wahl-Endspurt will sie sich auf ihr Kernthema Umwelt und Energiewende besinnen.

Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren, sondern unbeirrt zur Attacke blasen. Also versucht sich Katrin Göring-Eckardt als Mutmacherin. „Wir legen noch einmal eine kräftige Schippe drauf. Es lohnt sich zu kämpfen“, trichtert die Grünen-Spitzenkandidatin der Basis auf dem kleinen Parteitag in Bamberg ein.

In diesen Tagen könnte die Ökopartei sogar einige Schippen brauchen. Denn ausgerechnet im Wahlkampfendspurt droht den Überfliegern von gestern die Puste auszugehen. In aktuellen Umfragen kommen sie gerade auf zehn bis elf Prozent. Noch düsterer ist die Lage in Nordrhein-Westfalen. An Rhein und Ruhr würden nach einer Umfrage für das WDR-Magazin Westpol lediglich neun Prozent der Bürger ihr Kreuzchen bei den Grünen setzen. Das sind vier Prozentpunkte weniger als im Mai.

Absturz nach dem Höhenflug

Zweieinhalb Jahre ist es her, da waren die Grünen nach Fukushima in den Umfragen auf bis zu 28 Prozent gestürmt. Richtig ernst nahm das niemand. So versuchte die Parteispitze die lästige Debatte um einen grünen Kanzlerkandidaten gleich im Keim zu ersticken. Doch ein besseres Ergebnis als bei der letzten Bundestagswahl mit 10,7 Prozent sollte es 2013 schon geben. Nun ist dieses Ziel ernsthaft in Gefahr.

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Bis Ende April schien dies nur Formsache zu sein. Doch auf dem Parteitag rückten die Steuerpläne erstmals in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Schon damals warnten Realo-Vertreter wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann händeringend vor zu großen Belastungen für Betriebe und den Mittelstand. Das werde der Partei auf die Füße fallen, hieß es aus dem Realo-Flügel hinter vorgehaltener Hand. Kleine kosmetische Korrekturen später trug aber auch der Realo-Flügel die Beschlüsse mit. Seitdem wird die Partei die von der politischen Konkurrenz genüsslich geschürte Debatte nicht mehr los, ob sie dem Bürger nicht viel zu tief in den Geldbeutel greife.

Streit in der Führung droht

Für Negativ-Schlagzeilen sorgte auch das Theater um die pädophilen Umtriebe in den Anfangsjahren der Grünen. Auch wenn sich diese nicht auf die ganze Partei erstreckt haben, müssen sich die Grünen heute zumindest den Vorwurf gefallen lassen, dieses dunkle Kapitel ihrer Vergangenheit zu spät aufgearbeitet zu haben.

Zu einem kompletten PR-Desaster geriet schließlich die Forderung nach einem fleischfreien Tag pro Woche in Kantinen. Für den „Veggie-Day“ hagelte es Spott und die Kritik, die Grünen würden den Bürger bevormunden. Als wäre dies aus deren Sicht nicht bitter genug, kapriziert sich der Wahlkampf seit dem TV-Rededuell zunehmend auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Herausforderer Peer Steinbrück (SPD). Jedenfalls hat Parteichefin Claudia Roth das Zweier-Duell als Sündenbock für den grünen Absturz ausgemacht.

Konzentration auf Kernthemen

Mit ihrem am Wochenende verabschiedeten 100-Tage-Programm setzt die Ökopartei im Wahlkampf-Endspurt nun verstärkt auf ihre Kernthemen Energiewende und Umwelt. Dass sie dies schon in den vergangenen Monaten stärker hätten machen sollen, dämmert immer mehr Parteimitgliedern. Doch es ist fraglich, ob damit ein Umschwung noch gelingt.

Sollten die Grünen wieder in der Opposition landen – wofür derzeit vieles spricht – droht der Partei ein Streit um die Führungsspitze. Dann könnte es etwa für Spitzenkandidat Jürgen Trittin eng werden, weil die umstrittenen Steuerpläne maßgeblich auf ihn zurückgehen. Damit einhergehen dürfte eine grundsätzliche Debatte um die Neuausrichtung der Ökopartei. Die Realos würden wohl einen pragmatischeren Kurs einfordern. Zudem müssen die Grünen die Frage klären, wie sie auf Dauer zu einer Koalition mit der Union auf Bundesebene stehen. Von schwarz-grünen Gedankenspielen will die Parteiführung derzeit freilich nichts hören. Zumindest bis zum Wahlabend.