Düsseldorf. .
„An Inspector calls“ – der Titel einer Standardlektüre im Englischunterricht über den unangemeldeten Besuch eines Polizisten während einer Familienfeier hat für viele Schulleitungen in NRW einen negativen Hintersinn. Denn wenn die Inspektoren des Ministeriums anrücken, um vor Ort das Niveau der Wissensvermittlung zu überprüfen, wird es im Lehrerkollegium hektisch: Stress, Bürokratismus und vor allem die Sorge, schlecht benotet zu werden, eilen dem „Schul-TÜV“ voraus. Mit dem neuen Schuljahr soll er verbessert werden.
Christa Jakobs (Name geändert) arbeitet seit über 20 Jahren an einer Realschule in Essen. Vom Sinn der externen Qualitätsanalyse ist die Lehrerin grundsätzlich überzeugt. Fachliche Anstöße von außen und Ideen, wie Unterricht optimiert werden kann, hält sie für unverzichtbar, um „den alltäglichen Trott und die Routine“ zu durchbrechen. „Man schmort doch sehr im eigenen Saft“, sagt die 49-Jährige.
Doch die Praxis des „Schul-TÜV“, wie er nach dem Start vor sieben Jahren bald genannt wurde, wird der Theorie oft nicht gerecht. Alle vier Jahre, so hatte es Ministerin Barbara Sommer (CDU) 2006 angekündigt, sollten Experten die Schulen aufsuchen, um die Qualität zu begutachten und den Weg zu mehr Selbstständigkeit zu begleiten. Heute muss Sommers Nachfolgerin Sylvia Löhrmann (Grüne) bilanzieren, dass jede Schule gerade mal alle 16 Jahre mit einer Inspektion rechnen kann.
Erst 3040 der 6500 Schulen in NRW wurden untersucht. Löhrmann will erreichen, dass die Analyse künftig alle fünf Jahre stattfindet. Lehrerverbände sehen allerdings ein Personalproblem, da die Bezirksregierungen nur 90 Inspektoren bereitstellen. Zwei- bis dreiköpfige Teams kündigen ihren Besuch vorher an und halten sich in der Regel drei Tage in einer Schule auf, um individuelle Förderung, Arbeitsklima oder Führungskultur zu beurteilen.
Der Wissenschaftler spricht von „Schwiegermutter-Effekt“
Der Berliner Bildungsforscher Professor Hans Pant sieht das größte Manko aber an anderer Stelle. Der Wissenschaftler spricht von einem „Schwiegermutter-kommt-Effekt“ an den Schulen. „In der Aufräumphase zwischen Ankündigung und Besuch passiert viel – danach wenig“, sagt er. Soll heißen: Die Hoffnung, dass die ungeliebten Inspektoren vom Amt schnell wieder verschwinden, lässt eine nachhaltige Verbesserung oft gar nicht zu. Auch Peter Silbernagel, Chef des Philologenverbands, hatte frühzeitig den „Zirkus für drei Tage“ kritisiert.
„Wir wollen, dass die Schulen die Qualitätsanalyse nicht als lästige Pflichtübung empfinden“, sagt Löhrmann deshalb. Sie will mehr Eigenverantwortung. Nur Stärken und Schwächen festzustellen, sei zu simpel. Die Inspektoren sollen die Schulen intensiver anleiten, selbst guten Unterricht mit eigenen pädagogischen Schwerpunkten zu entwickeln. Außerdem sollen die Ergebnisse des Qualitäts-Checks „passgenauer“ ausgewertet werden.
Für Angst und Scham sei in diesem Prozess kein Platz, betont Löhrmann. Das erfordert Umdenken.Christa Jakobs, die Essener Lehrerin, berichtet von Kollegen, für die sich mit der Schulinspektion „das Trauma des Referendariats“ wiederholt, als bei angehenden Lehrern der Fachleiter hinten in der Klasse saß und den Unterricht beobachtete. Manche Schulleiter steckten zudem mit ihrer Nervosität das Kollegium regelrecht an: „Dann beginnt das große Nervenflattern.“
Um dem Vorwurf überbordender Bürokratie zu begegnen, dämmt das Land die Papierflut ein. Zur Vorbereitung der Qualitätsanalyse sollen Schulen nur noch vier - statt bisher 21- Bereiche dokumentieren: das Schulprogramm, interne Lehrpläne, Grundsätze der Leistungsbewertung und das Fortbildungskonzept. Auch der „Unterrichtsbeobachtungsbogen“ für die Inspektoren wird entschlackt: Ob ein Lehrer mit Fehlern der Schüler konstruktiv umgeht, ob er selbst ein Sprachvorbild ist oder die Stunde pünktlich beginnt, wird nur noch klar mit Ja oder Nein angekreuzt. Prüfen lässt Löhrmann außerdem, ob der Besuch des Schul-TÜV auf zwei Tage verkürzt werden kann.