Düsseldorf. CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen rätseln: Könnte ein Sieg für Schwarz-Gelb im Bund Schwarz-Gelb in Düsseldorf gefährden? Die Sorge geht um, im Mai 2010 bei der Landtagswahl könnte ihnen der Wähler die Rechnung präsentieren.
„Blaupause für Berlin” – seit vier Jahren tragen sie ihre Parole wie auf dem Silbertablett vor sich her. Schon 2005, als CDU und FDP in NRW die rot-grüne Koalition aus der Regierung kippten, sollte nach ihrem Vorbild auch der Machtwechsel im Bund funktionieren – was an der Großen Koalition scheiterte. Jetzt aber, während ihnen Demoskopen vor der Bundestagswahl am 27. September eine Mehrheit prognostizieren, plagen die regierenden Parteien in Düsseldorf zwiespältige Gefühle. Die Sorge geht um, im Mai 2010 bei der Landtagswahl könnte ihnen der Wähler die Rechnung präsentieren.
Über das Risiko, dass ausgerechnet Schwarz-Gelb im Bund den Sturz von Schwarz-Gelb in NRW auslösen könnte, wird in den Parteizentralen längst gegrübelt. Manch einer erinnert an das Jahr 1999, als die SPD nach sozialen Einschnitten und handwerklichen Schnitzern im ersten rot-grünen Regierungsjahr in Berlin bei der NRW-Kommunalwahl völlig einbrach und Rathäuser gleich in Serie verlor. Dass CDU und FDP im Bund schmerzhafte Reformen bis zur Landtagswahl verzögern könnten, gilt als unrealistisch. „Die Erwartung der Leute ist hoch”, kommentiert ein führender Liberaler, „da darf man keine Zeit verlieren.”
Ausgangslage schwierig
Auch Teile der NRW-CDU schätzen die Ausgangslage als „schwierig” ein, falls in Berlin eine christliberale Koalition die Macht erlangt. Die gängige Praxis, nach der „die Sauereien” gleich zu Beginn der Legislaturperiode zu erledigen sind, könnte das mühsam aufgebaute sozialpolitische Image von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers im Wahlkampf empfindlich stören. Keine Frage, dass SPD, Grüne und Linke in diesem Fall alle Register zögen, um im größten Bundesland eine politische Bewegung wider den „neoliberalen Kahlschlag” zu organisieren.
Elf Tage vor der Kommunal- und acht Monate vor der Landtagswahl hat Schwarz-Gelb nach einer von der CDU bestellten Umfrage zwar mit 51 Prozent die Mehrheit im Land, aber gegenüber 2005 büßen die Christdemokraten fast sechs Punkte ein und liegen bei 39 Prozent.
Noch rätseln Strategen aller Parteien über Wechselwirkungen zwischen den drei anstehenden Urnengängen in NRW. Für die Rüttgers-CDU kommen weitere Unwägbarkeiten hinzu. Die drei Pfeiler, auf denen ihr Wahlsieg inhaltlich ruhte, wackeln bedrohlich: Finanzen, Arbeitsmarkt, Schule. Statt des versprochenen Haushaltsausgleichs ohne neue Kredite muss Minister Helmut Linssen als Tribut an die Krise bis 2013 rund 26 Milliarden Euro neue Schulden einplanen. Die Arbeitslosigkeit steigt wieder – manche Experten rechnen damit, dass bis zur Wahl die „Schallmauer” von einer Million Menschen ohne Job durchbrochen wird. Und vor dem Landtag hat die SPD soeben ein altes CDU-Wahlplakat aufgehängt, um die aus ihrer Sicht „leeren Versprechen” im Kampf gegen Unterrichtsausfall zu geißeln.
Auch ein Linksbündnis ist möglich
Doch den Genossen nutzen all diese Szenarien wenig. Im Sog des Bundestrends, der die SPD in tiefste Tiefen zieht, ist für Spitzenkandidatin Hannelore Kraft bei derzeit 29 Prozent eine eigene Mehrheit illusionär. Auch für Rot-Grün stehen die Chancen schlecht. Sollte Schwarz-Gelb tatsächlich abgewählt werden, wäre rein rechnerisch vieles denkbar, von „Jamaika” (trotz allen Wutgeheuls der Grünen) bis zur Großen Koalition oder einem Linksbündnis. SPD-intern wird die „Ampel” mit FDP und Grünen favorisiert. Im Gegensatz zu Guido Westerwelle, der im Bund eine Ampel nahezu ausschließt, schweigen die NRW-Liberalen – und halten sich die Option offen.
Vor diesem Hintergrund sind die Rathaus-Wahlen ein wichtiger Stimmungstest. Die SPD hofft, dass die schwachen Steinmeier-Werte im Bund lokal nicht durchschlagen, die CDU will mit „40 Prozent plus x” erneut stärkste Kommunalpartei werden. Vor übertriebenem Optimismus hüten sich jedoch alle. Sie wissen: nach der Wahl ist vor der Wahl.