Essen.

Eine Woche vor dem Ferienende ist Nordrhein-Westfalens 2000 Kilometer großes Autobahnnetz eine einzige Großbaustelle. An 26 Projekten wird gleichzeitig gearbeitet, umgeleitet, gesperrt. Von der A 1 bei Ascheberg im Norden über die in Richtung Essen stillgelegte Mintarder Ruhrtalbrücke bis zur Notreparatur der Leverkusener Rheinbrücke, die längst Symbol für Deutschlands schlechten Straßenzustand geworden ist.

Der Reparatur-Plan

Alleine der Ersatz für die fast abbruchreife A 1-Brücke in Leverkusen kostet 220 Millionen Euro, Preisstand heute. Wenn in der Woche nach der Bundestagswahl die Länderverkehrsminister also einen „Plan zur Reparatur Deutschlands“ vorlegen, wird es teuer. Parteien- und verbändeübergreifend ist man sich einig, dass statt der fünf Milliarden Euro, die der Bund heute jährlich ins Fernstraßennetz steckt, in Zukunft mindestens 7,5 Milliarden fließen müssen.

Wie viel ist kaputt?

Ein Fünftel der deutschen Autobahnen und 40 Prozent der Brücken sind in kritischem Zustand, sagt das Institut für Wirtschaftsforschung DIW. Der ADAC sieht schwere Schäden an jeder vierten Brücke und an zwanzig Prozent der Decken der Autobahnen. Dass die Schätzungen auseinanderklaffen, liegt daran, dass es noch keine richtige Übersicht gibt und Probleme – wie jetzt an der A 52 oder die berüchtigten „Betonblasen“ durch Hitze – überraschend auftreten. Klar ist, warum dies alles so kam: Die Straßen sind im Schnitt 26 Jahre alt. Der Lkw-Verkehr hat nach der Einheit massiv zugenommen. Reparaturen wurden lange aufgeschoben. Die alten Fahrbahnen sind also angeschlagen.

Eine ehrliche Zustands-Bilanz wird derzeit auch in NRW erarbeitet und soll bundesweit bis 2014 aufgestellt werden.

Die Maut

Die Milliarden müssen aufgebracht werden. Im Bundesverkehrsministerium sind Maut-Erhebungen berechnet worden. Auch Mauttechnik-Anbieter wie Ages und Universitäten suchen nach der einerseits einträglichen, andererseits praktikablen Variante.

Vorbild Streckengebühren: In Frankreich, Italien und Spanien gibt es feste Kontrollpunkte. Autofahrer müssen für etwa 100 Kilometer fünf Euro zahlen. Wegen der dichten Abfolge von Abfahrten gilt Deutschland als ungeeignet dafür.

Vorbild Vignette: Für je 14 Monate Straßennutzung zahlen die Österreicher 76 Euro, die Schweizer noch umgerechnet 33 Euro. Bern will den Betrag deutlich anheben. Es ist im Prinzip die von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer verlangte Option, der sie allerdings nur für Ausländer gelten lassen und Inländern bei der Kfz-Steuer Rabatt geben will. Insgesamt ist eine Vignetten-Lösung umstritten – weil die Zahlung Vielfahrer gegenüber Wenigfahrern bevorteilt und auch umweltfreundliche Fahrzeuge nicht mehr vorgezogen werden können.

Misch-Varianten, die elektronisch unterstützt werden, sind vor allem bei der Lkw-Maut in Skandinavien erfolgreich.

Die Haushalts-Lösung

ADAC-Präsident Peter Meyer hat in den vergangenen Wochen viele Gespräche geführt. Führende Politiker haben signalisiert, dass es ohne Einführung einer Pkw-Maut wohl nicht mehr geht. Meyer ist alarmiert. Er plant den Widerstand und holt sich Rückendeckung bei der Bevölkerung. Eine vom Automobilclub beauftragte Umfrage von TNS-Infratest ergibt, dass zwar 86 Prozent für eine Ausweitung der Straßenbau-Budgets sind. Doch nur etwas mehr als jeder vierte plädiert für eine Pkw-Maut. In einem mehrere Punkte umfassenden Plan schlägt der ADAC deshalb Alternativen vor. Die wichtigste: Die Einnahmen der Mineralölsteuer, der Kfz-Steuer und der Lkw-Maut, zusammen 53 Milliarden Euro jährlich, sollen in einen Fonds fließen und vorrangig dem Fernstraßenbau und -unterhalt zukommen.

Macht das der Bundestag mit? Bisher geht das Geld in den Staatsetat. Daraus werden auch Renten- und Krippenzuschüsse bezahlt, Abgeordnete haben die Kontrolle. Über die Löcher in den Straßen droht ein neuer Verteilungskampf.