Berlin. .

Kleinere Pflegedienste „verkaufen“ lukrative Patienten mit besonderem Betreuungsaufwand an andere Pflegedienste; Sanitätshäuser schmieren Heimleiter, damit die Bewohner Rollatoren und Rollstühle von ihnen beziehen; Pflegedienste zahlen Ärzten Honorare, damit sie Patienten überwiesen bekommen: Nach Ansicht von Transparency International sind im deutschen Pflegewesen dem systematischen Betrug Tür und Tor geöffnet.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die Anti-Korruptions-Organisation am Dienstag in Berlin vorgestellt hat. Zu wenig Kontrollen und lasche Regeln würden die Betreiber von Heimen und ambulanten Pflegediensten dazu einladen, das System auszuplündern, sagte Studienautorin Anke Martiny.

Co-Autorin Barbara Stolterfoht betonte, dass die Vielzahl der Akteure und Vorschriften eine eindeutige Zuordnung von Verantwortungen erschwere. „Dadurch entstehen Einfallstore für Korruption.“ Grundsätzlich gebe es zu wenig Transparenz und Kontrollmöglichkeiten im Pflegewesen, kritisieren die Urheber, die unter anderem 13 Experten zu ihren Erfahrungen im Pflegewesen befragt haben. Wie hoch die dadurch entstehenden Schäden für das System sind, konnte die Studie nicht klären. Aus Sicht von Martiny liegt jedoch „einiges im Argen“. Gleichwohl handle es sich bei den Akteuren, die nicht sauber arbeiten, um eine kleine Minderheit.

Neben den bereits erwähnten Beispielen listet die Studie zahlreiche weitere Betrugsfälle auf. So gebe es Pflegedienstleister, die ohne professionelle Pflegekraftleiter arbeiteten. Die Behörden seien aber oft überfordert, solche Betrugsfälle aufzudecken. So sei nur durch Zufall herausgekommen, dass eine Pflegefirma mit mehreren selbstständigen Filialen immer wieder denselben Namen einer Pflegeleiterin angegeben hat. Die Betroffene wusste aber gar nichts davon.

Wirbel um eine„Wanderoma“

Für Wirbel sorgte in Berlin auch der Fall der „Wanderoma“. Sie stand bei einem Pflegedienstleister unter Vertrag und spielte bei Bedarf in verschiedenen Wohnungen den Pflegefall, wenn der Medizinische Dienst der Krankenkassen zur Begutachtung anrückte. In einem anderen Fall gaukelten Angehörige einem Prüfer offenbar vor, die Pflegepatientin schlafe fest. Dabei sei sie schon ein paar Tage zuvor gestorben.

Stolterfoth berichtete von ambulanten Diensten, die mehr Leistungen abrechneten, als sie tatsächlich erbracht hätten. Zudem gebe es Heimbetreiber, die absichtlich etwas weniger Pflegekräfte beschäftigten als vorgeschrieben. Falls sie aufflögen, hieße es dann, sie fänden nicht genug Fachpersonal.

Transparency International fordert unter anderem mehr Mitbestimmungsrechte für Heimbewohner und deren Angehörige. Zudem sollten für sie die Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen einsehbar sein. Als weitere Maßnahmen schlägt Transparency International regelmäßige unangemeldete Kontrollen und ein deutschlandweites Register über Verstöße von Heimbetreibern vor.