München. Waren die NSU-Ermittler doch schnell auf die richtige Idee gekommen? Da brauchte es “nicht sehr viel Fantasie, dass hinter der Mordserie ausländerfeindliche Motive stecken“, sagte am Dienstag ein Nürnberger Ermittler im Prozess. Opfer-Angehörige hatten mehrfach einseitige Ermittlungen kritisiert.
Nach dem sechsten NSU-Mord 2005 waren Nürnberger
Ermittler offenbar stärker als bisher bekannt von einer fremdenfeindlichen Verbrechensserie
ausgegangen. Da brauchte es „nicht sehr viel Fantasie, dass hinter der
Mordserie ausländerfeindliche Motive stecken“, erklärte am Dienstag der heutige
Leiter der Mordkommission in Nürnberg als Zeuge beim NSU-Prozess. Darüber habe
es keinen Zweifel in der Ermittlungskommission gegeben, so der
Kriminalhauptkommissar, auf eine entsprechende Frage des Nebenklageanwalts
Yavuz Narin.
Die Ermittlungen der Sonderkommission „Bosporus“, die sich
mit den insgesamt neun fremdenfeindlichen Morden beschäftigte, die mit einer
Ceska-Pistole zwischen 2000 und 2006 begangen worden waren, steht in der
Kritik, fremdenfeindliche Motiv bei ihren Ermittlungen eher ausgeschlossen zu
haben.
Vorwürfe mehrerer Opferfamilien gegen die Polizei
Mehrere der Opferfamilien werfen der Polizei vor, im
Umfeld der zumeist türkischen Familien wegen Geldwäsche, Schutzgelderpressung
und illegalen Dogenhandels ermittelt zu haben. Fremdenfeindlichen Motiven sei
dagegen nicht nachgegangen worden.
Beim Münchner NSU-Prozess wurden am Dienstag insgesamt sechs
Polizeibeamte befragt, die nach dem Mord an dem 50-jährigen Ismail Yasar am 9. Juli 2005 in Nürnberg die
Ermittlungen geführt hatten. Zwei der Beamten erklärten unter anderem, dass damals mehrere Zeugen
zwei junge Männer mit Fahrrädern in unmittelbarer Nähe des Tatortes gesehen
haben wollen.
Radfahrer an mehreren Tatorten gesehen
Eine Frau erzählte damals den Ermittlern die beiden
Radfahrer gegen 9.40 Uhr nicht weit vom Tatort entfernt mit einem Stadtplan
gesehen zu haben. Wenige Minuten nach 10 Uhr sei sie den Beiden noch einmal am
Döner-Imbiss des Opfers begegnet. Dabei soll die Frau gesehen haben, wie der
eine dem anderen einen Gegenstand in einer gelben Plastiktüte in den Rucksack
steckte.
Bilder zum NSU-Prozess
Einem weiteren Zeugen waren damals die beiden Fahrräder am
Imbiss aufgefallen. Ein dritter Zeuge hatte damals in unmittelbarer Nähe des
Tatortes ebenfalls zwei Radfahrer gesehen. Zudem hatten sich 2005 bei den
Nürnberger Ermittlern Kollegen aus Köln gemeldet. In der Keupstraße in
Köln-Mühlheim war am 9. Juni 2004 – also genau ein Jahr vor dem Nürnberger Mord
– eine Nagelbombe explodiert und hatte mehr als 20 Menschen teils schwer
verletzt.
Abgleich mit einem Video aus Köln
Die Kölner Ermittler konnten damals ein Video
sicherstellen, auf dem unter anderem ein junger Mann zu sehen ist, wie er kurz
vor der Explosion ein Fahrrad schiebt. Die Nürnberger Zeugin hatte damals der Polizei
gesagt, dass der Mann auf dem Video einer der beiden Radfahrer sein könnte, die
sie am Döner-Imbiss gesehen hatte. Ein weiterer Zeuge konnte damals diese
Übereinstimmung nicht bestätigen.
Der Mordermittler erklärte am Dienstag vor Gericht, dass die
Kölner Spur und die Spur der beiden Radfahrer in Nürnberg „die beiden Größten Anker waren, die wir bei
den Ermittlungen werfen konnten“. Letztlich hatten die Ansätze trotz des
Abgleichs der Erkenntnisse aber nicht weiter geführt. Unter anderem kam eine
Fallanalyse des Landeskriminalamtes in Baden-Württemberg im Jahr 2007 zu dem
Ergebnis, dass die beiden Fälle nicht miteinander zu tun hätten. Darin war die
Rede von „Äpfel“ und „Birnen“, die miteinander verglichen würden.
Die Serie war den Ermittlern durch die Projektile klar
Ismail Yasar war
gegen 10 Uhr mit mindestens vier Schüssen in seinem Döner-Imbiss getötet
worden. Mehrere Zeugen hatten damals ausgesagt, Schussgeräusche gehört zu
haben. Dass der Mord zu einer Serie gehört, war den Ermittlern nach der Analyse
der Projektile klar. Denn die verwendete Mordwaffe, eine „Ceska 83“ war zuvor
bereits bei Morden in Nürnberg, Hamburg, München und Rostock verwendet worden.
Doch erst am 4. November 2011 bot sich den Ermittler eine Spur zu den Tätern.
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Nach einem Banküberfall in Eisenach sollen sich an diesem Tag Uwe Mundlos und
Uwe Böhnhardt in einem Wohnmobil in Eisenach erschossen haben. Zuvor waren
beide durch die Polizei dort entdeckt worden. Nur gut drei Stunden danach ging das letzte Quartier des
Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Zwickau in Flammen auf.
Zschäpe will laut Anwältin weiter schweigen
Vor Beginn der Verhandlung erklärte Anja Sturm,
Verteidigerin von Beate Zschäpe, im Fernsehen, dass ihre Mandantin im Prozess
vorerst weiter schweigen werde. Das betreffe die unmittelbare interne
Prozessstrategie, so die Anwältin. „Sie können davon ausgehen, dass wir diese
immer wieder überprüfen, aber im Augenblick überhaupt keine Veranlassung sehen,
an dieser Strategie etwas zu ändern“, betonte die Juristin. „Bislang kann keine Rede davon sein, dass unsere Mandantin
hier irgendwie schon Reue zeigen müsste für Taten, die ihr bislang nicht
nachgewiesen sind, für die es kein Geständnis gibt und die aus unserer Sicht
zumindest auch teilweise sehr dünn zusammengestrickt sind.“
„Nach einem holprigen Anfang, ist der Prozess jetzt gut in
Fahrt gekommen“, meinte dagegen gestern
der Berliner Nebenklageanwalt Mehmet Gürcan Daimagüler gegenüber unserer
Mediengruppe. „Wir haben bereits jetzt ein recht gutes Bild von Frau Zschäpe als
entscheidendes Mitglied des Terror-Trios. Es hat seine Richtigkeit, dass sie
als Mörderin mitangeklagt ist“, betont der deutsche Anwalt mit türkischen
Wurzeln. Er vertritt Angehörige zweier Mordopfer, die vom NSU in Nürnberg
erschossen wurden.
Jetzt ist das Verfahren bis September unterbrochen.